Hexenblut
Womöglich ist es bereits zu spät.«
»Göttin...«, hauchte Anne-Louise entsetzt. Es gab nur einen Ort, an dem eine so grausige Tat verübt werden konnte. Sie wirbelte herum und rannte zu der Geheimtür, Sasha dicht hinter ihr.
Sobald sie den Geheimgang betraten, begann Anne-Louise zu schreien: »Nicole, halt! Tu es nicht! Das ist eine Falle!«
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie in die innere Kammer platzte und sah, wie Nicole einen Athame gegen Owen erhob. Sie schleuderte einen Schutzzauber durch den Raum, der Owen einschloss, und die Klinge prallte daran ab.
»Nicole! Es ist eine Lüge. Merlins Prophezeiungen – jede Jahrzehnte ist eine Lüge. Sie wurde ins Gegenteil verkehrt, um die Zeit zu manipulieren, die Geschichte zu verändern.«
Nicole schaute sie mit glasigen Augen an, und einen Moment lang fürchtete Anne-Louise, sie könnte besessen sein.
Langsam ließ Nicole den Athame sinken und sah sie blinzelnd an. »Was hast du gesagt?«
Doch Anne-Louise konnte ihr nicht antworten, so gebannt starrte sie auf Owen, der zur Abwechslung einmal still dasaß, einen Heiligenschein um den Kopf.
Mumbai:
Jer, Eve, Philippe, Pablo, Armand, Amanda und Tommy
Jer wirbelte herum und suchte nach Holly. Eben war sie noch hier gewesen, und im nächsten Augenblick war sie verschwunden. Ein Dolch zischte an seiner Wange vorbei, und er hörte einen dumpfen Schlag, als er jemanden traf. Er fuhr gerade rechtzeitig herum, um zu sehen, wie Eve zu Boden sank.
Das Schwarze Feuer flackerte und erlosch. Drei sind nötig, um es zu beschwören, und drei braucht es auch, um es am Brennen zu halten, begriff er. »Vorsicht!«, schrie er und erschuf hastig eine Barriere an der Stelle, wo eben noch das Feuer gelodert hatte.
Alex durchbrach die Barriere und prallte gegen Jer. Jer wurde auf den Rücken geschleudert, und Alex rammte ihm die Fäuste ins Gesicht - offenbar wollte er ihn doch lieber eigenhändig erschlagen. Jer versuchte, sich gegen ihn zu stemmen, doch zwei geisterhafte Ritter in glühenden Rüstungen drückten seine Hände in den Schnee.
»Du Ungeheuer!«, brüllte Alex ihn an. »Wie konntest du, ein Deveraux, dein eigen Fleisch und Blut verraten!«
Er hieb mit beiden Fäusten zugleich auf Jers Nase. Der Schmerz schoss ihm direkt ins Gehirn, er hörte in seinem Schädel etwas knirschen und wusste, dass Alex ihm die Nase gebrochen hatte. Weitere Schläge zertrümmerten noch mehr Knochen, und dann fühlte es sich an, als würde ihm die Haut in Fetzen vom Gesicht gezogen. Jer kämpfte darum, die Augen offen zu halten, und sah, wie sich das Gesicht von Alex Carruthers veränderte: Im einen Augenblick war er noch der gut aussehende Mann, der Holly und ihre Familie getäuscht hatte - im nächsten der halb verweste Leichnam des Mannes, der Jean Deveraux' Seele an die von Isabeau Cahors gefesselt hatte. Schwärzlich violette Hautfetzen hingen von Alex' Gesicht, und Maden krochen aus seinen Augenhöhlen.
»Du hättest der magischen Hochzeit mit Holly Cathers zustimmen sollen, um sie dann deiner Familie zu übergeben, den Deveraux. Aber wir haben sie doch noch bekommen. Sie ist jetzt mir hörig, meine Fürstin. Das sollte dein letzter Gedanke sein, wenn ich dich jetzt töte.«
»Sie...«, stieß Jer mühsam hervor. »Sie ist dir nicht hörig. Sie hat mich gerettet.«
»Menteur!«, schrie Laurent. »Lügner!« Er prügelte wie ein Verrückter auf Jers Gesicht ein. Seine Raserei war unfasslich - durch den Nebel seiner Schmerzen versuchte Jer, sie zu begreifen. Wut war ein Kind der Angst. Was fürchtete Laurent?
»Immer stehen sie mir im Weg, immerzu!« Laurent wechselte ins mittelalterliche Französisch, und Jer verstand es. Er reiste wieder rückwärts durch die Zeit, weit zurück...
Jean blieb in seinem prächtigen Hochzeitsgewand am Kopf der Treppe stehen und hörte seinen Vater mit Paul-Henri, Jeans jüngerem Bruder, sprechen.
»Sollte er es nicht schaffen, einen Sohn mit ihr zu zeugen, darfst du es als Nächster versuchen«, sagte Laurent gerade.
»Aber mon père, dazu müsste ich entweder sie vergewaltigen oder ihn ermorden, oder beides«, protestierte Paul-Henri. Milde.
»Pff. Hast du denn gar nichts gelernt? Du bist Franzose. Verführ sie.«
»Aber...«
»Bei den Hörnern des Gottes, Paul-Henri, das ist eine politische Zweckehe. Sie liebt ihn nicht. Meine Spione berichten mir, dass sie oft weinend an ihrem Fenster sitzt. Ihr Biest von einer Mutter opfert ihre Leibeigenen scharenweise und zwingt Isabeau, in
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