Hexenfluch: Roman (German Edition)
über uns. Ich kann ihn Ihnen gerne zeigen.« MacCannan hob die Brauen. »Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass Sie etwas von dem mitbekommen haben, was um Sie herum vorgegangen ist. Geschweige denn, dass Sie sich erinnern würden.«
»Es sind nur Bruchstücke …«
»Auch nicht an Bruchstücke.«
»Aber Sie haben mich ins Krankenhaus gebracht.« Wo sie beinah doch noch gestorben wäre.
»Ja.«
»Warum?«
»Unsere Möglichkeiten waren letztlich begrenzt. Keiner aus unserem Zirkel ist ein echter Heiler …«
»Und warum sind Sie dann nicht im Krankenhaus geblieben? In der Notaufnahme hat man mir gesagt, ein Mann hätte mich hergebracht. Aber bevor sie dort nach seinem Namen fragen konnten, war er schon wieder verschwunden. – Keine Nachricht. Nicht ein Hinweis. Warum? Selbst als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Nichts. Dafür tauchen Sie immer wieder auf meiner Station auf, dass ich denke, irgendein wahnsinniger Stalker ist hinter mir her … Warum, verdammt?«
Eine unwillige Falte erschien auf MacCannans Stirn. »Wir waren uns nicht sicher, ob Sie tatsächlich die … ›Quelle‹ dessen waren, was für einen kurzen Moment zu spüren gewesen war. Hätten Sie die Gabe nicht in sich getragen, wäre das unser einziges Zusammentreffen geblieben. Zu allem Überfluss kann man jemanden wie Sie nur dann spüren, wenn er seine Gabe über … sagen wir, über einen gewissen Level hinaus benutzt. Aber das hat Havebeeg Ihnen sicherlich erklärt, nicht wahr? – Vermutlich war er es auch, der dafür gesorgt hat, dass Sie Ihre Gabe im California Medical einsetzen konnten, ohne dass auch nur einer von uns es gespürt hat.« Im letzten Moment konnte Ella verhindern, dass ihre Hand sich zu dem Bernstein an ihrem Hals stahl. Doch selbst das schien ihm nicht zu entgehen. »Dass so viele Ihrer Patienten wieder gesund wurden, obwohl jeder sie eigentlich schon aufgegeben hatte, hat meinen Verdacht bestätigt. Aber der letzte Beweis, dass Sie tatsächlich über die Gabe verfügen, ist der Umstand, dass Sie Kristen Havebeeg kennen.« MacCannan blickte für einen Moment zu dem Fotoalbum, sah sie dann wieder an. »Und nachdem die Karten jetzt alle auf dem Tisch liegen, sagen Sie mir noch einmal, aus welchem Grund Sie diesem Mann so viel mehr vertrauen als uns?«
Weil ich ihn liebe! Beinah gegen ihren Willen gingen ihre Augen ebenfalls zu dem Foto.
»Ella, er hat dich auch bezüglich heute Abend angelogen. Wer weiß, wie oft er das schon zuvor getan hat …« J. J. legte ihr die Hand auf den Arm. »Dein ›Christian Havreux‹ ist kein anderer als ›Kristen Havebeeg‹. Siehst du es denn nicht? Sogar die Namen klingen ähnlich. – Ella, er hat dich die ganze Zeit getäuscht.«
»Du auch.«
»Ich weiß.« J. J. seufzte. »Und ich hoffe, du verzeihst mir.«
Ella sah weiter auf das Bild, berührte es mit den Fingerspitzen. So unscharf es auch sein mochte … Nein. Keine Montage konnte so gut sein. Kein Enkel seinem Großvater so ähnlich sehen. Der Mann auf dem Foto war Christian. Oder Kristen. Ihr Inneres fühlte sich mit einem Mal seltsam taub an. Aber er konnte sie doch nicht wirklich die ganze Zeit belogen haben? So … dumm konnte sie doch nicht gewesen sein, dass sie so gar nichts gemerkt hatte. Wochenlang …
»Es tut mir so leid, Süße.« Behutsam strich J. J. ihr über den Arm.
Sie hatte sich in ihn verliebt.
Das konnte nicht sein!
Und dabei hatte sie sich beim letzten Mal geschworen, nie wieder auf so einen Mistkerl reinzufallen.
Der Stuhl stand plötzlich hinter ihr. Sie sank darauf. Schaffte es nicht, den Blick von dem Foto zu lösen. »Wer ist er?« Sie hasste sich für das Zittern in ihrer Stimme. »Wer ist dieser ›Kristen Havebeeg‹?« Als ihr nur Schweigen antwortete, sah sie endlich doch auf. »Wer ist er?«
Danner und Monroe räusperten sich, sagten aber nichts, sondern blickten zu MacCannan. Der zog sich einen anderen Stuhl heran. Auch J. J. setzte sich. Neben Ella. Die Hand nach wie vor an ihrem Arm.
»Die Havebeegs waren eine der ältesten Hexerdynastien. Nach allem, was bekannt ist, hatte Kristen Havebeeg einen älteren Bruder, Peer, und eine jüngere Schwester, Line. Die Mutter muss relativ früh gestorben sein. Der Vater, Swend, war damals wohl einer der mächtigsten Hexer seiner Zeit. Allerdings muss ziemlich früh klar gewesen sein, dass Kristen ihn übertrumpfen würde. Die Familie lebte auf Helgoland und hatte das, was man heute ein Handelsimperium nennen würde.
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