Hexengift
Vorstellungen neu erschaffen.«
»Mit lauter kitschigen Türmen und Albtraum-Monstern, vor denen sich nur kleine Kinder fürchten?«, fragte Nicolette ungläubig. » Du willst die Welt regieren? Na, welches Wirtschaftssystem schwebt dir denn vor? Wie sieht’s mit der Lebensmittelversorgung aus? Straßeninstandhaltung? Ein Gesundheitssystem für all deine Sklaven? Ganz zu schweigen von der Kanalisation. Ich weiß, dass unsere Welt dann so
aussehen wird wie die in deinen Träumen, aber unsere Welt ist nicht deine Traumwelt. Hier gibt es handfeste, praktische Probleme …«
»Schweig!«, donnerte Reave, aber Nicolette verstummte erst, als Gregor ihr eine Hand auf die Schulter legte.
»Ich will ihren Kopf auf einem Pfahl«, polterte Reave.
»Den wirst du aber nicht bekommen«, entgegnete Gregor. »Benimm dich. Du brauchst uns.« Und zu Nicolette sagte er: »Was du sagst, ist natürlich nicht ganz falsch, aber daran haben wir bereits gedacht. Er braucht mich, damit ich mich um das Organisatorische kümmere, Nicolette, und ich brauche dich , in Ordnung? Du wirst immer einen Platz an meiner Seite haben.«
Reave spuckte angewidert aus und ging.
»Beruht auf Gegenseitigkeit, Arschloch!«, rief Nicolette ihm hinterher, während Reave in den Schatten verschwand.
14
Zealand erwachte in einem Krankenbett. Der Raum um ihn herum war in gelbliches Licht getaucht, und es roch nach Orangen. Genevieve saß neben ihm, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Hände im Schoß gefaltet. Sie beobachtete ihn.
»Ich bin gar nicht tot«, sagte Zealand ungläubig und tastete zögernd nach der Stelle auf seinem Rücken, an der Reaves Messer ihn durchbohrt hatten. Die Wunden fühlten sich … seltsam an.
»Das Moos hat Sie gerettet«, sagte Austen, der gerade durch eine Tür hereingekommen war, die Zealand nicht gesehen hatte oder die eine Sekunde zuvor vielleicht gar nicht da gewesen war. »Es hat Ihre Verletzungen vernarben lassen. Soweit ich weiß, hat es auch die Funktion Ihrer Nieren übernommen. Es ist jetzt ein Teil von Ihnen, nicht nur Rüstung und Schwert, sondern Fleisch.«
Zealand dachte über das nach, was Austen gerade gesagt hatte. Womöglich hätten seine Worte ihn erschrecken sollen,
aber das taten sie nicht. Er war ganz einfach froh, noch am Leben zu sein. »Dann stehe ich tief in Genevieves Schuld für dieses Geschenk.«
»Sie haben gegen ihn gekämpft«, sagte Genevieve mit leuchtenden Augen. »Sie haben tatsächlich gegen ihn gekämpft.«
Zealand setzte sich auf und schwang seine Beine über die Bettkante. Er fühlte sich hervorragend - müde zwar, und die Knochen taten ihm weh -, aber bei weitem nicht so, als wären ihm vor kurzem beide Nieren zerfetzt worden. »Was auch immer das gebracht hat. Ich fürchte, auf seinem eigenen Territorium konnte ich nicht viel gegen ihn ausrichten. Er bestimmt die Regeln dort, und …«
»Sie haben gegen ihn gekämpft «, wiederholte Genevieve und streckte die Hand aus, als wollte sie sein Gesicht berühren, zog sie dann aber wieder zurück.
»Genevieve ist immer noch ein wenig überwältigt von der Tatsache, dass man überhaupt gegen Reave kämpfen kann. Dass Sie den Mut hatten, sich ihm entgegenzustellen.«
Zealand zuckte mit den Achseln. »Er ist immerhin nur ein Mensch. Und nicht einmal das, wie ich jetzt weiß, nur eine Erinnerung an einen Menschen, die glaubt, sie wäre real.« Da fiel es ihm wieder ein. »Mein Gott, hoffentlich hat er Marla nichts angetan. Wir wollten ihn gemeinsam aufhalten, aber er hat mich angegriffen, noch bevor wir unseren Plan umsetzen konnten.« Er schnitt eine Grimasse. »Wahrscheinlich glaubt sie jetzt, ich hätte sie im Stich gelassen.«
»Sie wollten mit Marla Mason zusammenarbeiten?« Austen klang entsetzt, und Genevieve sprang von ihrem Stuhl auf und ging ein paar Schritte zurück.
»Sie missverstehen Marla«, sagte Zealand. »Sie hat ihre Meinung geändert, sie will Genevieve nicht mehr töten. Ich glaube, das wollte sie nie, sie dachte nur, es könnte unvermeidlich sein. Sie will Ihnen helfen, Genevieve, sie will Reave stoppen und all die schrecklichen Dinge beenden, die in ihrer Stadt vorgehen. Das sagte sie mir zumindest, und ich glaube ihr. Sie hat einen Eid geschworen, den sie nicht brechen kann.«
Austen runzelte die Stirn. »Sie meinen, Marla will Genevieve einsperren, sie sedieren und für immer in ihrer Traumwelt gefangen halten.«
Zealand hob hilflos die Hände. »Ist das nicht dasselbe, was auch Genevieve will? Ich dachte,
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