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Hexenheide

Hexenheide

Titel: Hexenheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: aerts
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Augen flackert etwas auf.
    Karim sieht, wie sie ihre linke Hand unter ihren Umhang schiebt. Sie will etwas holen, denkt er. Sie wird etwas tun, etwas Schlimmes. Etwas Schreckliches. Was hat sie da? Was tragen Hexen um ihre Hüfte gebunden? Ihren Dolch. Sie will mich ermorden. Wie jemand, der aus dem Tiefschlaf aufschreckt, erinnert sich Karim an das Medaillon. Er muss etwas machen, er kann doch nicht zulassen, dass er auf diese Art und Weise umgebracht wird! Seine Hände kramen in seiner Kleidung. Er muss Erin rufen, sie muss ihm helfen. Seine Finger verheddern sich in der Uhrkette. »Erin!«, ruft er, diesmal allerdings entschieden. Seine Stimme ist ein heiserer Schrei.
    Vitas Hand schießt auf ihn zu wie die Klaue eines Raubvogels. »Nichts da!«, zischt sie und grapscht ihm etwas aus der Hand. »Hast du gedacht, ich wüsste nicht, dass du Erins Kette trägst? Ha! Erins aussichtslose Sabotageversuche, ich könnte darüber lachen, wenn ich sie nicht so mitleiderregend fände.«
    Sie hat eine Kette in der Hand, eine Kette, die sie ihm abgenommen hat. Sie streckt den Arm aus, sodass er nicht mehr heranreicht. Sie lässt den runden silbernen Gegenstand an der Kette hin und her schwingen, als ob sie ihn damit hypnotisieren wollte. Wieder lacht sie ihr höhnisches Lachen, und Karim fühlt sich wie eine Katze, die mit einem baumelnden Spielzeug gequält wird. Sobald er sich bewegt, krallen sich die Finger der Hexe um das silberne Schmuckstück, und es gibt ein knackendes und scharfes Geräusch. Vita öffnet die Hand.
    Karim blickt auf die Überreste des alten Schmuckstücks, schluckt und geht einen Schritt zurück.
    Die Hexe hält die Hand schräg, und Glassplitter und verbogenes Silber rieseln auf den Boden der Turnhalle.
    Karim geht noch einen Schritt zurück. Dann greift er blitzschnell unter sein Hemd. »Erin!«, ruft er laut. »Erin … Erin!«
    Vita schaut ihn verwundert an. Mit dem Fuß stößt sie gegen die Trümmer des zerstörten Schmuckstücks. Sie will etwas sagen, doch dann sieht sie, was Karim unter seiner Kleidung hervorholt, und in ihren Augen brennt es. »Was! Du armseliger kleiner Knirps! Ich hab dich gewarnt!«
    Karim spannt die Finger um das Medaillon. Das Medaillon, das Vita übersehen hat. Sie hat ihm aus Versehen einfach die alte Uhrkette aus der Hand gerissen.
    Vita hebt die Arme. Ihr Blick ist tödlich.
    In diesem Augenblick taucht Erin zwischen ihnen auf.
    Erin, die Vita den Weg versperrt und ihre Verwünschung zunichtemacht. Erin, die ebenfalls die Arme in die Luft streckt und in einer Sprache, die Karim nicht versteht, zischende und sprühende Laute ausstößt. Die zwei Frauen stehen sich gegenüber wie zwei Katzen, die kurz davor sind, kreischend einen Kampf auszufechten. Karim springt zur Seite. Er möchte etwas tun, aber er hat keine Ahnung, was. Ist Erin in der Lage, sich gegen die fauchende, aufbrausende Vita zu wehren? Karim befürchtet, dass sie das nicht ist. Muss er dann hier stehen bleiben und zusehen, wie Vita den Kampf aller Wahrscheinlichkeit nach gewinnt? Und dann? Wenn sie Erin geschlagen hat, würde sie sich wieder über ihn hermachen? Ihm fällt nichts Besseres ein, als wegzurennen. Aus der Turnhalle raus, den Flur entlang, aus der Dunkelheit raus. Stolpernd rennt, fällt, taucht er durch die Umkleideräume und reißt die Tür zum Flur auf.
    Und plötzlich steht Lenne vor ihm. Der Mund bleibt ihm offen stehen. Er will etwas sagen. Er muss sie etwas fragen. Er weiß nicht mehr, was.
    »Karim, ich hab wie verrückt nach dir gesucht. Wo warst du?«
    »Ich … da …«
    »Was machst du denn in der dunklen Turnhalle? Jesse hat mir gesagt, dass du mich gesucht hast. Er hat gesehen, wie du in diese Richtung gegangen bist.«
    »Lenne … Lenne, nicht reingehen.« Karim hält Lenne am Ärmel fest. »V ita ist da drin.«
    »Was?«
    »In der Turnhalle. Vita und Erin. Ein Kampf … ich wollte … Vita wollte …« Karim hustet und schluckt und erstickt fast an seinen Worten.
    »V ita? In der Turnhalle?«
    »Deine Uhr«, fällt Karim ein. »Lenne, es tut mir so leid wegen deiner Uhr, die von deinem Opa … oder von wem die auch war … Vita hat sie kaputt gemacht.« Inzwischen ist er dabei, Lenne mit sich zu ziehen, weg von der Turnhalle, weg von den Hexen im Dunkeln. Aber Lenne reißt sich los. »Aber was machen die denn da? Ein Kampf, sagst du? Zwischen Vita und Erin?«
    »V ita wollte mich umbringen! Ich schwör’s dir. So wie sie mich angesehen hat. Sie war gerade dabei, was zu machen,

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