Hexenjagd
Sie gehört mir. Warum kannst du sie nicht in Ruhe lassen? Du hast keine Chance.“
Vincent rang um Fassung.
„Du mieses Stück“, stieß er dann hervor. „Sie gehört dir, sagst du? Warum bist du dann nicht bei ihr, wo sie dich jetzt so dringend braucht?“
„Sobald sie aus dem Krankenhaus entlassen wird, werde ich mich um sie kümmern“, erwiderte Nils herablassend. „Momentan ist sie doch in guten Händen, also brauche ich doch nicht den ganzen Tag bei ihr zu hocken. Außerdem kann ich die Krankenhausluft nicht ertragen. Es riecht überall nur nach Krankheit und Desinfektionsm …“ Dass der Bruder mit einem Satz bei ihm war und ihn unbeherrscht aus dem Stuhl zerrte, verschlug ihm dann doch die Sprache.
„Weißt du, was du bist?“, zischte Vincent. „Du bist ein Schwein! Jawohl, das bist du!“ Als wäre Nils ein knochenloser Fleischsack, schüttelte er ihn hin und her. „Du hast dir ein hübsches Spielzeug ausgesucht, das dir und deinem Image gut zu Gesicht stehen sollte. Aber jetzt, da du erkannt hast, dass es nicht ganz so problemlos laufen wird, wie du es dir vorgestellt hast, lässt du es links liegen!“ In seinen Augen stand reine Mordlust.
„Lass mich los!“, forderte Nils erschrocken. „Du hast kein Recht …“
„Ich habe jedes Recht der Welt“, schnitt ihm Vincent das Wort ab. „Es geht um die geistige Gesundheit eines Menschen“, knurrte er. „Und du wirst mir jetzt helfen, die Hintergründe aufzudecken, die zu diesem Zusammenbruch geführt haben. Ich schwöre dir, ich lasse dich nicht eher zufrieden, bis ich erfahren habe, was ich wissen will.“
„Du willst dich ja bloß wichtig tun.“ Nils versuchte vergebens die Finger des Angreifers von seinem Hemdkragen zu lösen. „Damit man dich für deinen Einsatz bewundert. So war es schon immer! Vincent, der gute Junge. Vincent, der fleißige Junge. Vincent, der Frauenheld. Willst du sie so ge …“ Der Faustschlag traf ohne jede Vorwarnung seinen Mund und brachte ihn augenblicklich zum Verstummen.
„Entweder“, sagte Vincent mit einem Mal gefährlich ruhig, „du sagst mir jetzt freiwillig, was ich wissen will, oder ich prügle es aus dir heraus. Es ist mir egal, was du von mir denkst. Und es ist mir egal, ob Celiska später zu dir zurückkehrt. Ich will, dass sie wieder gesund und völlig normal wird. Hast du mich verstanden? Jetzt braucht sie Hilfe, und nicht erst, wenn sie aus dem Krankenhaus entlassen wird. Was hast du mit ihr gemacht?“ Er ballte erneut die Faust und hob den Arm, während er mit der anderen Hand den Bruder immer noch am Kragen hatte. Als er jedoch Nils’ ängstlichen Blick sah, kam er zur Vernunft. Er stieß den Bruder von sich, und dieser plumpste wie ein nasser Sack in seinen Schreibtischstuhl. „Du bist es nicht wert, dass man sich die Finger an dir schmutzig macht“, sagte Vincent nun völlig ruhig. „Du bist doch nur der verwöhnte, nichtsnutzige Sohn eines reichen Mannes.“
Nils’ sagte nichts, doch es war mit Händen zu greifen, wie getroffen er war. Doch das entlockte Vincent bloß ein gehässiges Lächeln.
„Na gut“, sagte er boshaft. „Wenn du nicht reden willst, werde ich mir die Informationen von anderen holen. In so einem großen Betrieb wird doch immer geklatscht. Mal sehen, was man mir so alles zu erzählen hat. Außerdem könnte ich in Celiskas Namen Anzeige gegen deine Freunde erstatten. Immerhin ist sie gegen ihren Willen, aber mit deinem Wissen verschleppt und vielleicht sogar vergewaltigt worden! Was hältst du davon?“ Die Augenbrauen hochgezogen, musterte er den Bruder. „Das dürfte für einen kleinen Skandal sorgen. Und du stündest ganz schön dumm da, wenn man in der Zeitung nachlesen könnte, wie leichtfertig du mit der Gesundheit deiner Braut umspringst.“
Nils’ Gesicht war mit einem Mal kalkweiß. Nein, einen Skandal konnte er sich wirklich nicht leisten, dachte er verschreckt. Nicht jetzt, wo er gerade dabei war, sich das Vertrauen und die Loyalität der wichtigsten Geldgeber zu sichern. Sein Vater hatte ihn zwar ins Geschäftsleben eingeführt und wollte ihm bald die Leitung der Spedition übergeben, doch musste er zunächst beweisen, dass er in der Lage war, das Unternehmen allein zu führen. Wenn Vincent allerdings seine Drohung wahr machte, waren alle seine bisherigen Bemühungen umsonst. Und seine Freunde durfte er auch nicht dem öffentlichen Pranger ausliefern. Schließlich waren sie alle Abkömmlinge vermögender und einflussreicher Familien, was
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