Hexenkessel
mit gelangweiltem Gesichtsausdruck auf der Tanzfläche in der Mitte des Saales. Plötzlich legte sich eine Hand schwer auf Tweeds Schulter. Er drehte sich um und blickte in das von Falten durchzogene Gesicht eines weißhaarigen Mannes.
»Sie sind neu hier«, sagte er. »Hoffentlich haben Sie sich nicht entschlossen, sich auf Dauer hier niederzulassen.«
»Warum?«
»Na, schauen Sie sich doch um.« Der Mann sprach mit dem typischen englischen Oberklassenakzent. »Keiner fühlt sich hier wirklich wohl, meine Wenigkeit eingeschlossen. Sie sind alle wegen des angenehmen Klimas hierhergekommen und haben dafür ihre Freunde und alles, was ihnen sonst im Leben wichtig war, aufgegeben.«
»Und warum kehrt dann niemand in die Heimat zurück, wenn sich doch keiner hier heimisch fühlt?« erkundigte sich Tweed.
»Zu spät. Inzwischen ist die Verbindung zu ihren alten Freunden abgerissen, und ihre Häuser in England haben sie verkauft. Außerdem ist das Leben hier billiger; sie könnten sich eine Rückkehr gar nicht leisten. Trotzdem trauern sie den altvertrauten Dingen nach - den Pubs, den kleinen Dörfchen, ja, sogar dem Leben in London. Hier draußen ist alles ganz anders als zuhause. Tun Sie nichts Unüberlegtes.«
»Danke für Ihren Rat«, sagte Tweed leise.
»Klingt alles sehr traurig«, flüsterte Paula.
»Das ist es wohl auch. Achtung, Vanity kommt auf uns zu.«
Die rothaarige Frau trat an ihren Tisch und wandte sich mit einem strahlenden Lächeln an Tweed, der ihr knapp zunickte.
»Mr. Moloch würde sich freuen, wenn Sie ihm ein paar Minuten Gesellschaft leisten könnten. Er sitzt an dem Tisch dort hinten in der Ecke.«
»Warum kommt er denn nicht zu uns?« fragte Paula spitz.
»Er möchte sich gerne mit Mr. Tweed in Ruhe unterhalten.« Vanity lächelte immer noch. Ihre Selbstsicherheit schien unerschütterlich. »Hier an der Tanzfläche ist die Musik furchtbar laut.«
Tweed blickte zu den vier auf einem Podium sitzenden jungen Burschen hinüber, die Rockmusik hämmerten. Er nickte noch einmal, stand auf und bahnte sich einen Weg zwischen den Tischen hindurch. Vanity ließ sich neben Paula auf dem Stuhl nieder, den Tweed soeben geräumt hatte. Grenville näherte sich ihnen mit einer qualmenden Zigarre in der Hand.
»Amüsieren sich die Damen gut?« fragte er. Seine Stimme klang heiser, und er wedelte entschuldigend mit der Zigarre. »Ich rauche zu viele von diesen Dingern. Aber man sollte sich ja nicht zu sehr kasteien. Dann müßte man auch dem Alkohol abschwören.«
Moloch erhob sich höflich, als Tweed auf ihn zukam, und bot ihm Vanitys Stuhl an. Danach nahm er selbst wieder Platz, nachdem er seinen eigenen Stuhl so gedreht hatte, daß er Tweed direkt ins Gesicht sehen konnte. Dieser hielt dem Blick der hellen, klugen Augen gleichmütig stand.
»Ich wollte Sie schon lange kennenlernen, Mr. Tweed.«
»Warum?«
»Vanity beschrieb Sie als einen außergewöhnlichen Mann.«
»Das ist eine Frage des Standpunktes.«
»Vermutlich haben Sie recht. Beabsichtigen Sie, für längere Zeit in Spanish Bay zu bleiben?«
»So lange, wie es nötig ist.«
Moloch schwieg und hob sein Glas. Soweit Tweed das beurteilen konnte, enthielt es puren Orangensaft. Langsam stellte Moloch sein Glas wieder ab.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Danke, aber ich habe mir schon einen Drink bestellt. Er steht an meinem eigenen Platz.«
»Gefällt Ihnen die Party?« fragte Moloch weiter.
»Nicht besonders.«
»Mir auch nicht. Ich werde gleich aufbrechen. Grenville bestand darauf, daß ich seiner Einladung Folge leiste. Mr. Tweed, wir könnten offener miteinander reden, wenn Sie so freundlich wären, mich in Black Ridge aufzusuchen, meinem Haus in der Nähe von Big Sur. Ich empfinde den Lärm hier als störend.«
»Ich komme gerne.«
»Ausgezeichnet. Paßt es Ihnen morgen früh um elf? Ich werde dafür sorgen, daß die Tore offen sind, so daß Sie ungehindert durchfahren können.«
»Vielen Dank. Also morgen früh um elf. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte - meine Freunde warten auf mich …«
Tweed registrierte, daß Butler ganz in der Nähe an der Wand lehnte und die Tänzer beobachtete. Harry Butler war kein Mann, der irgendwelche Risiken einging. Tweed kehrte zu seinem Tisch zurück und hörte gerade noch, wie Vanity auf Paula einsprach.
»Wir könnten doch beide einen kleinen Einkaufsbummel durch Carmel machen. Ich weiß, wo es die besten Geschäfte gibt. Viele verkaufen nämlich nur Schund. Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher