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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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misstrauisch an und entfernte sich.

    Im Cockpit sagte sie, dass es einem Passagier offenbar sehr schlecht gehe, er aber nach Alkohol verlangt habe. »Dann bringen Sie ihm welchen«, meinte der Co-Pilot, »in einer halben Stunde sind wir in Florenz, eine andere Möglichkeit runterzugehen haben wir nicht. Wahrscheinlich ist er auf Turkey.«
    Sie brachte ihm ein Wasserglas voll Whisky, den er in kleinen Schlucken, aber hastig trank. Nach einigen Minuten normalisierten sich die Farben langsam, seine Umgebung war nicht mehr grün. Dennoch ließ die entspannende Wirkung auf sich warten, er fühlte sich immer noch hundeelend.
    Der Mann neben ihm las die »La Nazione«, war also augenscheinlich ein Italiener. Er hatte ein Siebzigerjahre-Kassengestell auf der Nase, und auch der graue Anzug, den er trug, sah aus, als hätte er sich seit damals keinen neuen leisten können. Seine Fingernägel waren penibel manikürt und sein Gesicht babyglatt rasiert. Er lächelte mitfühlend.
    »Meglio?«, fragte der Mann. Er nickte, ohne zu wissen, was er gefragt worden war, und hatte plötzlich nicht übel Lust, sich über den grauen Anzug seines Nachbarn zu erbrechen.
    Er hätte diese ganze verdammte Reise gar nicht erst mitmachen sollen. In diesem Moment ging ihm alles auf die Nerven, vor allem sein Gefangensein in diesem Flugzeug. Erschwerend kam hinzu, dass er in seiner Hosentasche ein Päckchen Cannabis hatte. Wenn er auf dem Flugplatz damit erwischt wurde, war sowieso alles aus. Dann würde er in irgendeinem italienischen Gefängnis verschimmeln und verrecken, ohne Drogen kam er schon lange nicht
mehr klar. Er brauchte jetzt unbedingt einen Joint. Oder ein bisschen Kokain. Irgendwo am Flughafen, bevor der Irrsinn weiterging. Er fragte sich ernsthaft, welcher Teufel ihn geritten haben musste, dass er nur wegen dieses blöden Filmfestivals zugestimmt hatte, mit nach Siena zu kommen.
    Eine Reihe vor ihm saß Tobias. Ein dreißigjähriger Schnösel, der nach einem Dauerstudium der Philosophie und Psychologie noch ein zweijähriges Filmstudium an der Media-School in Hamburg angehängt hatte, nun endlich fertig war und sich einbildete, der größte Regisseur der Weltgeschichte zu sein. Tobias lebte mit seiner Schwester zusammen, hatte immer fettige Haare und trug die Hemden grundsätzlich nur über der Hose. Besonders liebte er es, für sein Image neue Markenzeichen zu kreieren. So hing ihm immer eine Stoppuhr um den Hals, egal, ob er am Set war oder nicht, und er spielte ständig damit herum. Es machte die meisten Leute nervös, wenn er in einer Unterhaltung stoppte, wie lange seine Gesprächspartner redeten, aber so etwas störte Tobias nicht. Er behauptete, ein Gefühl für Dialoge und deren Dauer entwickeln zu wollen.
    In diesem Jahr fand in Siena zum ersten Mal das »Festival di professionisti giovani del cinema« statt, das Filmfest der jungen Filmschaffenden, bei dem ein goldener, silberner und bronzefarbener »Campanile« vergeben wurden. Eine Trophäe in Form eines Glockenturms, in der oben sogar eine winzige Glocke klang, wenn man sie in die Hand nahm und schüttelte. Tobias war der Regisseur des Films, der als deutscher Beitrag nominiert worden war. Es war sein Erstlingswerk mit dem klingenden Titel »Straße zum Strand«, und er war absolut davon überzeugt, mit seinem
Film den goldenen Campanile zu gewinnen. Er hielt sich sowieso für den größten Filmemacher aller Zeiten, und meinte, niemand könne ihm das Wasser reichen. Jeglicher Kritik stand er selbstverständlich ablehnend gegenüber, und wenn er gerne den sensiblen Künstler heraushängen ließ, so war das reines Theater.
    Offensichtlich langweilte er sich, denn jetzt erhob er sich halb und drehte sich um.
    »Hey, Amadeus«, sagte er grinsend, »ich meine, mach was du willst, aber warum schläfst du eigentlich nicht bei uns im Hotel?«
    »Ich hasse Hotels«, erwiderte er schlapp. »Sie sind das Dümmste, Langweiligste und Unkreativste, was es gibt. Menschen aller Art und aus aller Welt werden wie im Kindergarten in die gleichen Möbel gesetzt. Verschone mich mit Hotels!«
    Er hatte die Filmmusik zu dem Film geschrieben, es war seine größte und bisher gelungenste Arbeit, wahrscheinlich seine genialste. Sicher hatte Tobias nichts davon bemerkt, er ließ kein anderes Genie neben sich gelten, aber er selbst wusste, was er in manch hellen und auch in manch vollkommen vernebelten Momenten geschaffen hatte.
    Tobias sagte nichts mehr und setzte sich wieder.
    Er hatte ihn

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