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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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bekam einen Parkplatz nur vier Autolängen von ihrer Haustür entfernt und sah auf die Uhr. Fünf nach halb zehn. Elsa hatte bei ihren Eltern den ganzen Abend mit einem alten Scrabble-Spiel Worte zusammengelegt und dann darauf bestanden, gegen ihren Großvater anzutreten, der natürlich auch prompt verlor. Elsa hatte einige Male kräftig gekreischt, allerdings aus reiner Freude. Jetzt im Auto war sie vor Erschöpfung eingeschlafen.
    Sarah hob sie aus ihrem Kindersitz und nahm sie auf den Arm. Schon fast gewohnheitsmäßig sah sie sich um, aber bis auf ein paar Passanten, die es eilig hatten, war die Straße leer.
    Auf dem linken Arm trug Sarah Elsa und mit der rechten Hand angelte sie in ihrer Manteltasche nach ihrem Hausschlüssel. In drei Stunden würde Romano zu Hause sein, sie verspürte plötzlich heftige Sehnsucht nach ihm.
    Elsas Kopf war auf ihre Schulter gesunken, sie schlief ganz entspannt, und Sarah spürte ihren warmen Atem am Hals. Sie schloss die Haustür auf, trat in den Hausflur und tastete nach dem Lichtschalter, der direkt links neben der Tür an der Längswand angebracht war. Sie drückte den Knopf – aber es blieb dunkel.
    Sarah hielt vor Schreck den Atem an. »Verflucht«, murmelte
sie und überlegte einen Moment, ob sie sich im Dunkeln bis ins nächste Stockwerk tasten oder lieber den Rückzug antreten sollte.
    Ein süßlicher Geruch, der ihr bekannt vorkam, aber hier in diesem Hausflur absolut nichts zu suchen hatte, stieg ihr in die Nase. Es knackte leise. Wahrscheinlich das Holz der Treppe, versuchte sie sich zu beruhigen. Langsam tastete sie sich weiter, alle Nerven bis aufs Äußerste gespannt und hochkonzentriert. Sie versuchte sich gerade daran zu erinnern, wie das Treppenhaus bei Licht aussah, als sie statt auf den kalten Stein in warmes Fleisch fasste. Erschrocken wich sie zurück, aber in diesem Moment drückte sich auch schon seine eiskalte Hand auf ihr Gesicht und nahm ihr den Atem. Mit der anderen Hand riss er ihren Arm hoch. Der Schlüssel fiel auf die Erde, Franky drückte sie mit seinem ganzen Gewicht gegen die Wand.
    Da begann Elsa zu schreien. So laut und schrill, wie sie in ihrem Leben noch nie geschrien hatte. Jedenfalls erschien es Sarah so. Der klirrend hohe Ton schmerzte in den Ohren und fuhr einem durch Mark und Bein.
    Im ersten Stock öffnete sich eine Wohnungstür. »Was ist denn da unten los?«
    Sarah spürte einen kalten Luftzug, und dann war Franky in die Nacht verschwunden.
    So schnell sie konnte, stolperte Sarah mit Elsa durchs dunkle Treppenhaus und die Treppe hinauf. Im ersten Stock brannte Licht, und Elsa beruhigte sich.
    »Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Herr Seemann. Er stand im Schlafanzug im Treppenhaus und hatte eine Bierflasche in der Hand.

    »Jemand hat versucht, mich zu überfallen. Danke, dass Sie gerufen haben.«
    »Holen Sie die Polizei.«
    »Das werde ich tun.«
    »Wenn Sie mich als Zeuge brauchen, kein Problem.«
    »Nett von Ihnen. Danke.« Sarah nickte ihm zu und stieg weiter die Treppe hinauf.
    »Die Kleene da, Ihre Tochter …«, rief der Mann ihr hinterher, »die is besser als jede Sirene. Die weckt ja Tote auf mit ihrem Organ. Manchmal hör ich sie durchs ganze Haus.«
    Sarah antwortete nicht mehr, aber sie wusste, was sie Elsa zu verdanken hatte.
     
    Oben in ihrer Wohnung löste sich der Schock, und Sarah fing an zu heulen. Sie saß in einem Sessel und hatte noch nicht mal mehr die Kraft, ihren Mantel auszuziehen. »Hör auf, Mama«, flehte Elsa, aber Sarah konnte nicht aufhören. Vollkommen hysterisch zitterte und bebte ihr ganzer Körper. Ihr Schluchzen war so heftig, dass Elsa Angst bekam, ihre Mutter würde ersticken.
    Entschlossen ging sie zum Telefon und wählte die Einseins-null.
    »Hier spricht Elsa Kliemann«, sagte sie mit ihrer hohen Kleinmädchenstimme. »Ich wohne in der Prager Straße 17 im dritten Stock. Meine Mama und ich sind eben überfallen worden. Von meinem Papa. Meine Mama weint. Können Sie herkommen?«
    Sarah hörte auf zu schluchzen und sah Elsa erschrocken an. Dann nahm sie ihr den Hörer aus der Hand.
    »Kliemann«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ja, ich bin
die Mutter.« – »Was meine Tochter gesagt hat ist völlig richtig.« – »Sie ist drei.« – »Es hat keinen Zweck. Ich habe schon Anzeige erstattet. Sie unternehmen ja nichts, Sie warten ja, bis er mich umbringt, und dann ist das Geschrei groß. Aber da hab ich dann nichts mehr davon.«
    Damit legte sie auf, setzte sich wieder in den Sessel und

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