Hexenkuss
hatte.
Was Sir William nicht ahnte, war, dass Michael insgeheim die Hexermacht der Deveraux Sir Williams Sohn James anheimgestellt hatte. James plante schon lange, seinen Vater zu stürzen. Michael hielt James für leichter zu kontrollieren als Sir William. Da Michael der Überzeugung war, dass Recht und Tradition zufolge der Titel »Großmeister des Obersten Zirkels« dem Haus Deveraux zustand, hatte er James seine Unterstützung angeboten, falls dieser versuchen sollte, seinen Vater vom Thron zu stoßen. Wenn der törichte junge Mann erst an der Macht war, würde Michael hinter diesem Thron stehen und alles so arrangieren, wie es ihm gefiel... Und zweifellos würde er James bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ermorden, um entweder sich selbst oder Eli zum Großmeister zu erheben.
Wenn ein Deveraux den Obersten Zirkel anführte, würden die Kräfte des Lichts ausgelöscht werden, Coven für Coven, bis nur noch die Schwarzen Künste das Zünglein an der Waage des Schicksals spielten, in dieser und in anderen Welten.
Jeraud Deveraux war fest entschlossen, das zu verhindern.
Selbst, wenn ich eines Tages mein eigen Fleisch und Blut verraten müsste.
»Es könnte sein, dass wir sie töten müssen«, sagte sein Vater gerade.
Jer fuhr zusammen, wütend auf sich selbst, weil er seine Gedanken hatte schweifen lassen. Wen? Von wem sprechen sie?
Wer auch immer sie sein mochte, niemals würde er zulassen, dass sein Vater und Bruder ihr Blut vergossen. Selbst, wenn es für beide den Tod bedeuten sollte - er würde nicht wegsehen, wenn sie eine Unschuldige ermorden wollten.
Und was ist mit den Schuldigen, Jer?, fragte eine leise Stimme in seinem Innern. Er wusste, dass da sein Gewissen sprach, aber es bediente sich der Stimme seines Großmeisters Sir William. Stolzer Hexer, du schmähst deine Tradition, begehrst aber dennoch die Privilegien deines Blutes. Wenn du Gut und Böse unterscheidest, dann deshalb, weil es sie tatsächlich gibt und weil du die Macht besitzt, dich ihrer zu bedienen, wie du es für richtig hältst.
Aber wenn du dich einmal dafür entscheidest, die Macht des Bösen zu gebrauchen-ganz gleich aus welchem Grund -, bist du an den Coven gebunden ...für immer... und deine Seele gehört uns.
»Wir können doch einen Autounfall arrangieren«, sagte sein Vater nachdenklich. »Wie den anderen neulich.«
»Das war eklig«, entgegnete Eli.
»Aber es hat funktioniert. Er ist tot, oder nicht?«
Jers Herz setzte buchstäblich einen Schlag aus. Der Architekt Zane Thornwood, ein Rivale seines Vaters hier in Seattle, war kürzlich bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er und Jers Vater hatten sich für dasselbe Projekt auf dem Pioneer Square beworben. Nach Thornwoods Tod war der Auftrag an Michael gegangen.
Tränen stiegen ihm in die Augen, und er fühlte sich elend bis in die Tiefe seiner finsteren Hexerseele. Er fürchtete, sich übergeben zu müssen.
Jetzt weiß ich also, dass es wahr ist, dachte er. Mein Bruder, mein Vater... sie sind Mörder.
Die Stimme sagte: Das weißt du schon seit Jahren, du Heuchler. Du wolltest deswegen nur nichts unternehmen müssen.
Eli sagte: »Stimmt. Aber solche fingierten Unfälle sind ziemlich leicht aufzuspüren. Letztes Mal wären wir beinahe erwischt worden.«
»Aber wir Deveraux lernen aus unseren Fehlern. Das trennt die Schafe von den Wölfen, Eli. Ich denke, wir könnten uns die nassen Straßen zunutze machen... Es regnet ständig in Seattle, und wenn man zu schnell fährt, besteht immer die Gefahr von Aquaplaning. Das könnten wir aus einiger Entfernung bewerkstelligen.«
»Vielleicht sogar von San Francisco aus«, sagte Eli schelmisch. »Wo wir einer trauernden Freundin Gesellschaft leisten mussten?«
»Dir kann ich doch nichts verheimlichen.« Michael klang stolz, aber auch ein wenig misstrauisch. »Behalte sie im Auge. Bis zum nächsten Mond werden wir entscheiden, was zu tun ist.«
Jer schwankte kurz, dann wurde ihm klar, dass er es sich nicht leisten konnte, auf die grauenhaften Dinge zu reagieren, die er heute Nacht erfahren - oder vielmehr, für die er nun eine Bestätigung bekommen hatte. Zutiefst beschämt über seine bisherige Passivität sandte er dem potenziellen Opfer seiner Familie eine stumme Nachricht.
Die Zeit war gekommen, da er Stellung gegen seine eigene Familie beziehen musste.
Lauf, befahl er, flieh zu mir. Bei der Macht des Gottes, gehorche meinem Einfluss und sei an mich gebunden. Komm zu mir. Wenn mein Vater dich tot sehen
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