Hexenmacht
mit Beschlag belegt. Einer der zahlreichen Schreibtische in dem Großraumbüro gehörte mir. Ich ließ mich seufzend auf meinen Drehstuhl fallen, nachdem ich mir einen Pappbecher des etwas zu dünnen Kaffees aus dem Automaten geholt hatte.
Die Geschehnisse der letzten Nacht verfolgten mich noch immer. Sie erschienen mir seltsam irreal. Beinahe unwirklich.
Wie die Erinnerung an einen Film, den man gesehen hat.
Ich nippte am Kaffee und versuchte gerade, mich auf die Musical-Besprechung zu konzentrieren, die ich möglichst schnell abzuliefern hatte.
Aber es wollte mir einfach nicht gelingen.
Ich trank noch einen kräftigen Schluck und lehnte mich dann zurück.
Warum ich?, ging es mir durch den Kopf. Es muss einen Grund dafür geben! Womit habe ich den Zorn dieser seltsamen Wesen erregt?
Und wenn ich mir am Ende doch alles nur eingebildet hatte und mich meine eigenen Traumvisionen zum Narren hielten?
Auch zuvor schon hatte es Augenblicke gegeben, in denen ich diese Visionen für Realität gehalten hatte.
Und die zersprungenen Scheiben? Mir schauderte bei dem Gedanken, der sich daraus ergab.
Was, wenn sich meine Gabe in eine Richtung entwickelte, die mir keines falls lieb sein konnte? Wenn Dinge, die ich träume, in die Realität eingriffen? Wenn ich diese geisterhaften Drachenwesen Kraft meiner Gabe aus meiner Phantasie entstehen ließ?
Von Tante Lizzy wusste ich, das es solche Fälle gab. Sie hatte mir aus einem Buch des berühmten Parapsychologen Zamorra vorgelesen, der sich mit solchen Fällen beschäftigt hatte.
Dass ich über eine gewisse mentale Kraft verfügte, mit deren Hilfe ich hin und wieder in die Zukunft zu sehen vermochte, war für mich inzwischen eine Tatsache. Aber wer garantierte mir, dass sich diese Kraft für immer auf dieselbe Weise äußerte?
Von diesen geisterhaften Wesen verfolgt zu werden, das war schlimm genug.
Der Gedanke aber, dass meine Gabe vielleicht völlig außer Kontrolle geriet und sich in eine im wahrsten Sinne des Wortes zerstörerische Richtung entwickelte, war noch weitaus furchtbarer.
Meine Finger tickten mechanisch auf dem Schreibtisch herum.
Ein Schatten erschien dort plötzlich.
Ich fuhr aus meinen Gedanken auf – und blickte in die ruhigen, grün-grauen Augen von Tom Hamilton, einem Kollegen, der vor kurzem bei den >News< angefangen hatte.
Er hatte vorher bei einer großen Nachrichtenagentur gearbeitet und war in aller Welt herumgekommen.
Zuletzt war er wohl in Asien als Korrespondent beschäftigt gewesen.
Ein Job, von dem viele, die hier in der Redaktion der >News< saßen, ihr ganzes Leben lang nur träumen würden. Was diesen Mann hierher geführt hatte, blieb mir nach wie vor ein Rätsel.
Er war groß, dunkelhaarig und ziemlich schweigsam, was seine persönlichen Dinge anging. Das machte es schwer, etwas mehr über ihn zu erfahren. Ein Mann mit Geheimnis.
Er lächelte charmant.
"Sie sehen nicht gut aus, Patricia", stellte er fest.
Ich hob die Augenbrauen.
"Sie wissen aber, was eine Frau gerne hört", erwiderte ich sarkastisch.
Wir lachten beide, und für einen kurzen Augenblock gelang es mir sogar, die düsteren Gedanken zu vergessen, die mich seit dem gestrigen Abend nicht mehr losgelassen hatten.
"So war das nicht gemeint", erwiderte er dann.
Ich nickte. "Ich verstehe schon. Letzte Nacht habe ich schlecht geschlafen. War wohl einfach ein bisschen viel für mich in letzter Zeit. Haben Sie nicht Lust, die Musical-Besprechung für mich zu schreiben?"
"Ich war nicht bei der Premiere", erwiderte er. In seinen Augen blitzte es dabei.
"Und bei mir ist der Kopf völlig leer", sagte ich.
"Dann würde es wirklich keinen Unterschied machen."
"Sie sagen es, Tom"
"Leider muss ich Ihnen trotzdem einen Korb geben. Mr. Swann hat mich bis zum Hals in Arbeit eingedeckt. Jeder Gedanke an eine Pause erscheint da schon wie ein Frevel."
"Und dann stehen Sie hier herum?"
"Ich suche Jim Field. Sie arbeiten doch oft zusammen, und da dachte ich..."
"Tut mir leid, ich habe ihn heute noch nicht gesehen", erwiderte ich.
Jim Field war als Fotograf bei den >London Express News< tätig. Ein blonder, ziemlich unkonventionell gekleideter junger Mann in meinem Alter. Wir hatten schon oft zusammengearbeitet.
Tom hob die Schultern.
"Es hätte ja sein können", meinte er. "Jim hat mir ein paar Fotos aus seinem reichhaltigen Fundus versprochen, die genau zu der Story passen, an der ich gerade arbeite."
"Sehen Sie auf dem Parkplatz nach", riet ich ihm. "Wenn dort ein
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