Hexenmacht
wieder etwas den Kopf, und ihre Augen blitzten mich an. Hass stand darin geschrieben. Derselbe Hass, den ich auch in den fratzenhaften Drachengesichtern gesehen hatte.
"Warten Sie!", rief ich.
Doch auch dafür hatte sie nichts als Hohn und beißenden Spott übrig. Grenzenlose Arroganz stand in ihrem Gesicht geschrieben, gepaart mit blanker Grausamkeit.
"Lady Blanchard!", rief ich. "Warten Sie!"
Ich hatte sie erkannt.
Ich lief zu ihr, während sie weiter zurückwich.
Sie wurde transparent, wirkte im nächsten Moment nur noch wie eine schwache Diaprojektion und verblasste dann vollends.
Ihr Lachen verhallte.
Fassungslos stand ich da.
Ein Zischen ließ mich herumfahren.
Ich sah zwei der furchterregenden, dämonischen Drachengesichter aus einer Hausnische hervorspringen.
Blitzartig kamen sie auf mich zu.
Es ging zu schnell, dass ich nichts tun konnte.
Eine Schrecksekunde verging.
Wie gierige Raubtiere kamen die grünlich leuchtenden Wesen mit ihren Flammenzungen auf mich zu.
Ihre krallenbewehrten Pranken kratzten über den Asphalt.
Und dann hatten sie mich erreicht.
Ich schrie und taumelte rückwärts, kreuzte die Arme vors Gesicht.
Das wütende Zischen der Geisterbestien fuhr mir durch Mark und Bein, und ich stellte mir vor, was diese Ungeheuer mit Steve angestellt hatten.
Hart fühlte ich den Boden unter mir. Der Aufprall war ziemlich schmerzhaft. Ich rollte auf dem feuchten Asphalt herum und sah glühende Augen über mir.
Heißer Atem wehte mich an wie eine Ahnung des Höllenfeuers.
Mein Todesschrei gellte in der Nacht...
*
Alles in mir krampfte sich zusammen. Das Grauen hatte mich erfasst, und ich versuchte mich dem Zugriff dieser krallenbewehrten Pranken zu entwinden, die jetzt riesige Ausmaße annahmen.
"Patti!", rief eine Stimme.
Es war Steve.
Ich hörte Schritte.
Die Körper der Drachengeister veränderten sich ständig. Und dann...
Kurz bevor sie mich berührten und zerfleischen konnten oder ich lichterloh in Flammen stand, wurden die grünlich leuchtenden Erscheinungen plötzlich durchsichtig. Sie verblassten innerhalb eines Sekundenbruchteils, und ich starrte fassungslos in die Dunkelheit.
"Patti!"
Steve lief zu mir.
"Alles in Ordnung?"
Ich nickte.
"Ja, ich glaube schon", sagte ich. Er fasste mir unter den Arm.
In einer der Hausnischen knarrte es. Eine Tür, die jemand aufgestoßen hatte und Licht fiel in breiter Bahn auf die Straße.
Ein Mann stand in der Tür, die Hände in den Hosentaschen. Er sah mit gerunzelter Stirn zu uns herüber.
"Was machen Sie für einen Krach?", rief er. "Ist jemand verletzt? Dann ruf ich einen Krankenwagen."
"Nein", sagte Steve. "Sie können beruhigt sein."
"Wenn Sie meinen."
Steve nahm mich in den Arm, dann gingen wir die Straße entlang. Der Mann in der Tür verschwand wieder in seiner Wohnung. Das Zuklappen der Tür war deutlich zu hören.
"Steve, hast du...?"
"Ich habe sie gesehen", bestätigte er. "Als ich hier unten ankam, waren diese grünen Bestien verschwunden. Ich habe mich etwas umgeschaut, bis ich plötzlich Lärm hörte. Und deinen Schrei, und dann sah ich sie, wie sie sich in Nichts auflösten. Da war übrigens noch etwas. Aber vielleicht habe ich mich auch getäuscht."
"Was?", fragte ich.
"Eine Frau."
"Lady Jennifer Blanchard?", fragte ich.
Er sah mich. Dann nickte er.
"Im ersten Moment war ich mir nicht sicher. Eine Frauengestalt, die durchsichtig wurde und verblasste. Aber für einen Moment sah ich ihr Gesicht." Steve atmete tief durch.
"Aber Lady Jennifer Blanchard ist doch tot!"
Ich nickte, sah die Ereignisse von damals noch mal vor meinem geistigen Auge.
Unsere Suche nach dem Verbrecher Dr. Skull hatte Steve und mich damals auf die Halbinsel Harris verschlagen, wo wir uns als Ehepaar auf der Residenz der Lady Jennifer Blanchard einquartiert hatten. Mit Hilfe ihrer übersinnlichen Kräfte war sie in der Lage gewesen, mit den Geistern von verstorbenen Kontakt aufzunehmen und diese in zuvor eigens angefertigte Wachsfiguren zu transferieren.
Selbstverständlich ließ sich Lady Blanchard diese Dienste hoch bezahlen. Mit Hilfe von Dr. Skull, ohne dessen immenses okkultes Wissen die entsprechenden Rituale nicht hätten durchgeführt werden können, betrieb Jennifer Blacnhard ein profitables Geschäft. Zumeist sehr zahlungskräftige Kunden hatten mit verstorbenen Angehörigen auf diese Weise noch einmal sprechen wollen.
Doch Dr. Skull und Lady Jennifer Blanchard war es nur um den Profit gegangen. Sie hatten
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