Hexenseelen - Roman
erledigt ist, gehen wir getrennter Wege. Und etwas sagt mir, dass es, sollten wir uns danach noch einmal sehen, wieder nur darum gehen wird, wer den anderen zuerst töten kann.«
»Ach, Conrad. Die Zeiten ändern sich. Das erlebst du doch gerade selbst. Feinde werden zu Freunden. Und Freunde zu Feinden. Meinst du nicht, wir haben genug gelitten und sollten jetzt unsere Chance ergreifen?«
»Schluss jetzt. Was auch immer du damit beabsichtigst, das wird nichts bringen. Nicht bei mir. Nicht nach knapp dreißig Jahren.«
Linnea lachte melodisch. »Wem willst du hier etwas vormachen? Auch den Namen deines Ladens hast du nicht gewechselt. Warum wohl? Sag mir nicht, du hättest vergessen, wie du mich my fairy genannt hast.«
»Linnea …«
»Nicht doch.« Rasch legte sie ihm die Hände um den Hals. Und er wich nicht zurück! Er blieb ruhig stehen, während Linneas Finger durch sein Haar wanderten.
»Bitte, lass mich ausreden. Ich habe so lange überlegt, warum ich mich an dich gebunden fühle. Dabei hatten wir miteinander geschlafen, als ich noch gar kein vollwertiger Metamorph war. Eine Paarung konnte also für mich unmöglich eine Bindung bis zum Tod bedeuten. Und dennoch ist es mir in all diesen Jahren nicht gelungen, von dir loszukommen. Ich habe es so lange geleugnet. Ich habe dich so lange gehasst - dafür, dass du mich trotzdem besaßest, ohne da zu sein. Dafür, dass so vieles zwischen uns stand. Ich glaubte, ich könnte meine Liebe zu dir begraben. Doch ich kehrte immer wieder zu dem Grab zurück, um dir wenigstens so nahe zu sein. Und heute habe ich verstanden, dass wir selbst uns die Hindernisse in den Weg gelegt haben und dass wir selbst sie auch wieder wegräumen können. Ich will mich nicht weiter belügen. Und du solltest es auch nicht tun, Conrad. Egal, was zwischen uns steht, was wir glauben, was uns trennt - nun sind wir reifer, erfahrener. Wir können es schaffen. Wir können glücklich sein.«
Als ihre Worte verklungen waren, erfüllte Stille den Raum. Die Ratte kletterte von Ylvas Schulter hinunter und tippelte zum Durchgang. Fast hätte Ylva gejapst. Was machte das dumme Tier bloß? Hoffentlich würde es sie nicht verraten! Der Nager huschte an der Wand entlang zu ihnen, doch keiner von beiden bemerkte den ungebetenen Gast.
»Du sagst gar nichts?«, hauchte Linnea, die noch immer nicht von Conrad abließ.
Er fasste ihre Arme und nahm ihre Hände von sich.
»Das, was ich zu sagen habe, wirst du nicht hören wollen.« Was kühl und hart klingen sollte, verriet jedoch eine Spur von Bedauern. Und Ylva stellte verwundert fest, wie sehr es sie schmerzte, diese Spur, die vielleicht nichts zu bedeuten hatte, wahrgenommen zu haben.
Die Ratte krabbelte hoch auf den Tisch, stellte sich auf die Hinterpfoten und schaute von einem zum anderen, bis sie letztendlich Conrad anvisierte.
»Oh, hallo«, sagte er hörbar erleichtert, und etwas Unbeschwertes lag in seinem Ton. Mit einem Mal schien Linnea vergessen zu sein. »Wie geht es deinem Frauchen?«
Die Königin schnaubte verächtlich, beinahe gekränkt durch die Leichtigkeit, mit der eine Ratte ihren Platz eingenommen hatte und Conrads Zuneigung genießen durfte. »Du hast die beiden nicht eingesperrt?«
»Ich habe dazu keine Notwendigkeit gesehen.« Er kramte in der Hosentasche und legte etwas auf die Tischplatte. Von ihrem Platz aus erschnupperte Ylva ein Stück Apfel. Die Ratte holte sich die Leckerei und begann, mit Begeisterung daran zu nagen.
»Glaub nicht, du kannst ein wildes Tier zähmen«, warf Linnea ein und wollte die Ratte vom Tisch schlagen, als Conrad ihren Arm packte und hinunterbog. Die Königin schnaubte. Ihre Stimme klang gepresst. »Sie wird immer eins bleiben, egal, was du versuchst, mit welchen Köstlichkeiten du sie anlocken willst, wie viel Zuneigung du ihr entgegenbringst. Ein Tier bleibt ein Tier.«
»Mir scheint, wir kommen bestens miteinander aus.«
Conrad streckte eine Hand aus. Langsam, um es nicht zu erschrecken, näherte er sich dem Tier. Ylva spürte ihr eigenes Herz, das schneller zu pochen begann. Als wäre sie es, die Fell besaß, das seine Finger gleich berühren würden.
Bitte, bleib still , beschwor sie die Ratte wie sich selbst und registrierte gleichzeitig die Anspannung, die durch ihre Muskeln ging. Der Hauch des Todes. Er flößte ihr eine Urangst ein, die Panik in ihr aufsteigen ließ. Sie konnte nichts dagegen tun, als sich diese Berührung zu wünschen und sich gleichzeitig davor zu fürchten.
Das Tier
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