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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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daß sie nicht zurück kommen würde.« Sie schwieg und goß ihnen beiden noch Kaffee ein. »Und als sie dann gestorben war, konnte ich nicht einmal die Adresse ihrer Verwandten dort unten finden. Ihr Anwalt hatte nicht die kleinste Information. Sie hatte ihm gesagt, sie wolle nicht, daß man mit irgend jemandem dort unten Kontakt aufnehme. Alles Geld ging an mich. Aber sie hat die Verwandten in New Orleans immer besucht. Sie hat sie angerufen. Ich habe das nie ganz begriffen.«
    »Das ist traurig, Rowan.«
    »Aber jetzt haben wir genug von mir geredet. Zurück zu dem Haus. Wieso erinnerst du dich jetzt daran?«
    »Oh, die Häuser dort sind nicht wie die Häuser hier«, sagte er. »Jedes Haus hat seine Persönlichkeit, seinen Charakter. Und dieses… nun, es ist düster und massiv, auf eine prachtvolle Weise dunkel. Es steht an der Ecke; ein Teil stößt an den Gehweg der Seitenstraße. Weiß Gott, ich habe dieses Haus geliebt. Ein Mann wohnte da, ein Mann, der geradewegs aus einem Roman von Dickens zu stammen schien, das schwöre ich: groß und irgend wie der vollendete Gentleman, wenn du weißt, was ich meine. Ich sah ihn immer im Garten stehen…« Er stockte. Irgend etwas war ihm jetzt ganz nah, irgend etwas entscheidend Wichtiges…
    »Was ist?«
    »Nur wieder dieses Gefühl, daß alles das mit ihm und diesem Haus zu tun hat.« Ein Schauder überlief ihn, als friere er, aber er fror nicht. »Ich durchschaue es nicht«, sagte er. »Aber ich weiß, daß der Mann etwas damit zu tun hat. Ich glaube, sie wollten nicht, daß ich es vergesse, die Leute, die ich in den Visionen gesehen habe. Ich glaube, sie wollten, daß ich schnell etwas unternehme, weil etwas geschehen wird.«
    »Was könnte das sein?« fragte sie behutsam.
    »Irgend etwas in diesem Haus.«
    »Warum sollten sie wollen, daß du zu diesem Haus zurückgehst?« Auch diese Frage kam sanft, nicht herausfordernd.
    »Weil es in meiner Macht steht, dort etwas zu tun. Es steht in meiner Macht, etwas zu bewirken.« Er schaute auf seine Hände, die in ihren schwarzen Handschuhen so unheimlich aussahen. »Was meinst du? Bin ich wahnsinnig?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dazu klingt alles zu spezifisch.«
    »Spezifisch?« Er lachte verblüfft auf. So etwas hatte in all den Wochen noch niemand zu ihm gesagt.
    »Hast du in den letzten Jahren oft an dieses Haus gedacht?«
    »Fast nie«, sagte er. »Vergessen hatte ich es nicht, aber ich habe auch nie viel daran gedacht. Oh, dann und wann – vermutlich, wenn ich an den Garden District dachte – habe ich auch an das Haus gedacht. Man könnte sagen, es hat mir immer wieder im Kopf herum gespukt.«
    »Aber zur Besessenheit wurde es erst nach den Visionen.«
    »Ohne Zweifel. Ich habe noch andere Erinnerungen an zu Hause, aber die Erinnerung an das Haus ist am intensivsten.«
    Sie sah ihn an, als höre sie weiter zu, obwohl er verstummt war. Er dachte an die seltsam schwebenden Mächte und daran, wie sie alles restlos verwirrten, statt es zu klären.
    »Also, was stimmt nicht mit mir?« fragte er. »Ich meine, du als Ärztin, als Neurologin – was meinst du? Was sollte ich tun?«
    Sie versank in Gedanken, stumm, regungslos, die großen grauen Augen starr auf einen Punkt hinter der Scheibe gerichtet, die langen schlanken Arme wieder verschränkt. Schließlich sagte sie: »Ja, du solltest wieder hinfahren; daran ist kein Zweifel. Du wirst nicht ruhen, bevor du es getan hast. Geh und suche das Haus. Wer weiß – vielleicht ist es gar nicht mehr da? Oder du spürst nichts Besonderes, wenn du es schließlich siehst. Jedenfalls solltest du nach sehen. Vielleicht gibt es ja eine psychologische Erklärung für diese fixe Idee von dir, wenn man es so nennen will – aber ich glaube es nicht. Ich glaube, du hast wirklich etwas gesehen, und du bist irgendwo gewesen. Nur interpretierst du das Ganze vielleicht falsch.«
    »Viel Handfestes habe ich nicht«, gab er zu. »Das stimmt.«
    »Glaubst du, daß sie den Unfall verursacht haben?«
    »O Gott, darauf bin ich eigentlich noch nie gekommen.«
    »Nicht?«
    »Ich meine, ich dachte – na ja, der Unfall passierte, und sie waren da, und plötzlich ergab sich die Gelegenheit. Der Gedanke, daß sie es verursacht hätten, wäre furchtbar… Das würde die Sache ändern, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht. Mich stört folgendes: Wenn sie mächtig sind – wer oder was immer sie sein mögen -, wenn sie dir einen Auftrag geben konnten, wenn sie dich da draußen, als du hättest sterben

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