Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
müssen, am Leben erhalten konnten, wenn sie deine Rettung bewirken konnten – na, warum könnten sie dann nicht auch den Unfall verursacht haben, und warum könnten sie jetzt nicht auch für deinen Gedächtnisverlust verantwortlich sein?«
    »Das ist ein furchtbarer Gedanke«, flüsterte er. Sie wollte weiter sprechen, aber mit einer kleinen, höflichen Geste bat er sie, zu schweigen. Er bemühte sich, Worte für das zu finden, was er ihr sagen wollte. »Meine Vorstellung von ihnen ist eine andere«, erklärte er schließlich. »Ich habe vertrauensvoll geglaubt, daß sie in einem anderen Reich existieren, und das gilt spirituell wie physisch. Daß sie…«
    »Höhere Wesen sind?«
    »Ja. Und daß sie nur zu mir kommen, von mir wissen, sich für mich interessieren konnten, als ich ihnen nahe war. Zwischen Leben und Tod. Es war etwas Mystisches, das meine ich. Aber ich wünschte, ich könnte ein anderes Wort dafür finden. Es war eine Kommunikation, zu der es nur kommen konnte, weil ich physisch tot war.«
    Sie wartete.
    »Ich will damit sagen, sie sind eine andere Spezies von Lebewesen. Sie könnten einen Menschen nicht von den Klippen fallen und im Meer ertrinken lassen. Denn wenn sie so etwas in der materiellen Welt tun könnten – na, wozu brauchten sie dann mich?«
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte sie. »Nichtsdestoweniger…«
    »Was?«
    »Du nimmst an, daß es höhere Wesen sind. Du sprichst von ihnen, als wären sie gut. Du nimmst an, daß du tun solltest, was sie von dir wollen.«
    Wieder war er sprachlos. »Du hast recht«, sagte er schließlich. »Ich habe das alles angenommen. Aber weißt du, Rowan, es ist eine Frage des Eindrucks. Als ich aufwachte, hatte ich den Eindruck, daß sie gut waren und daß der Auftrag etwas war, wozu ich mich bereit erklärt hatte. Und ich habe diese Annahmen seither nicht in Frage gestellt. Du aber meinst, ich sollte es vielleicht tun.«
    »Ich könnte mich irren. Und vielleicht sollte ich gar nichts sagen. Aber du erinnerst dich, was ich dir über Chirurgen gesagt habe: Wir stürzen uns kopfüber auf ein Problem, und zwar nicht mit der Faust, sondern mit dem Messer.«
    Er lachte. »Du weißt nicht, wieviel es mir bedeutet, nur darüber reden zu können, laut darüber nachzudenken.« Aber dann wurde sein Gesicht ernst, denn es war äußerst verstörend, so darüber zu reden, und das wußte sie.
    »Da ist noch etwas«, sagte sie.
    »Was denn?«
    »Immer wenn du über die Kraft in deinen Händen sprichst, sagst du, es sei nicht so wichtig. Wichtig, sagst du, sind die Visionen. Warum kann beides nicht zusammenhängen? Warum glaubst du nicht, daß die Leute in den Visionen deinen Händen diese Kraft verliehen haben?«
    »Ich weiß nicht. Es stimmt irgend wie nicht. Diese Kraft ist eher eine Ablenkung. Ich meine, die Leute um mich herum wollen, daß ich sie benutze, und wenn ich mich darauf einlassen würde, käme ich nie nach Hause.«
    »Aha. Und wenn du das Haus wiedersiehst, wirst du es mit bloßen Händen berühren?«
    Er dachte eine ganze Weile nach. Er mußte zugeben, daß er sich das so konkret noch nicht überlegt hatte. Er hatte eher an eine unmittelbare, wundersame Klärung der Dinge gedacht. »Ja. Höchstwahrscheinlich. Ich werde das Tor anfassen, wenn ich kann. Ich werde die Treppe hinaufgehen und die Haustür anfassen.«
    Warum erschreckte ihn dieser Gedanke? Das Haus zu sehen, bedeutete etwas Wundervolles, aber es anzufassen… Er schüttelte den Kopf, verschränkte die Arme und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Das Tor berühren. Die Tür berühren…
    Sie schwieg, offenbar ratlos, vielleicht sogar besorgt. Er betrachtete sie eine ganze Weile und dachte daran, wie sehr es ihm zuwider war, weg zu gehen.
    »Geh noch nicht so bald, Michael«, sagte sie plötzlich.
    »Rowan, ich möchte dich etwas fragen«, sagte er. »Dieses Papier, das du da unterschrieben hast, dieses Versprechen, niemals nach New Orleans zu fahren… glaubst du an so etwas? Ich meine, glaubst du an die Gültigkeit dieses Versprechens an Ellie, selbst wenn sie tot ist?«
    »Natürlich«, antwortete sie dumpf, beinahe traurig. »Und du glaubst auch daran.«
    »Ich?«
    »Du bist ein ehrenhafter Mensch. Du bist das, was wir so vielsagend einen netten Kerl nennen.«
    »Okay. Ich hoffe, das stimmt. Und ich habe meine Frage falsch gestellt. Was ich eigentlich fragen wollte, ist: Besteht die Chance, daß du mitkommst?«
    Schweigen.
    »Ich weiß, es klingt anmaßend«, fuhr er fort. »Ich weiß,

Weitere Kostenlose Bücher