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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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enorme Gewinne, sondern betätigte sich auch kaufmännisch; mit zwei Partnern in New York erzielte er auch in diesen Unternehmungen beträchtliche Erfolge. Er erwarb Immobilien in ganz New Orleans, die er Mary Beth vermachte, obwohl sie zur Erbin des Mayfair-Vermächtnisses bestimmt war und deshalb ein Vermögen zu erwarten hatte, das weit größer als das von Julien war.
    Es scheint kaum einen Zweifel daran zu geben, daß Suzette, seine Frau, so sehr er sie anfangs geliebt hatte, eine Enttäuschung für ihn war. Diener wie Freunde berichten von zahlreichen unglückseligen Auseinandersetzungen. Es hieß, bei all ihrer Schönheit sei Suzette tief religiös gewesen, und Juliens muntere Natur habe sie gestört. Sie verschmähte die Juwelen und feinen Kleider, die sie tragen sollte. Sie ging abends nicht gern aus. Sie mochte keine laute Musik. Suzette, ein reizendes Geschöpf mit blasser Haut und glänzenden Augen, war immer kränklich, und sie starb jung, nachdem sie in rascher Folge vier Kinder zur Welt gebracht hatte. Ohne Zweifel hatte die eine Tochter, Jeannette, eine Art »zweites Gesicht«. Mehr als einmal hörten die Diener, daß sie in wilder Panik schrie, weil sie einen Geist oder sonst eine Erscheinung gesehen hatte. Ihre plötzlichen Panikanfälle und irrwitzigen Fluchten aus dem Haus auf die Straße waren im Garden District bald wohlbekannt, und sogar die Zeitungen schrieben darüber. Tatsächlich war es Jeannette, die als erste Anlaß zu »Geistergeschichten« um die First Street bot.
    Julien war höchst ungeduldig mit Jeannette, und er sperrte sie oft ein. Aber nach sämtlichen Zeugnissen hat er seine Kinder geliebt. Alle seine Söhne studierten in Harvard und kehrten als Anwälte im Zivilrecht nach New Orleans zurück, wo sie selbst große Vermögen anhäuften. Ihre Nachkommen heißen bis zum heutigen Tag Mayfair, ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer ehelichen Verbindungen. Und die von Juliens Söhnen begründete Anwaltskanzlei verwaltet inzwischen seit Jahrzehnten das Mayfairsche Vermögen.
    Wir haben mindestens sieben verschiedene Photographien von Julien mit seinen Kindern, darunter auch welche mit Jeannette (die jung starb). Auf allen macht die Familie einen äußerst fröhlichen Eindruck, und Barclay und Cortland haben große Ähnlichkeit mit ihrem Vater. Barclay und Garland starben, als sie Ende Sechzig waren, aber Cortland wurde achtzig Jahre alt und starb Ende Oktober 1959. Ich selbst habe noch im Jahr davor direkten Kontakt zu Cortland gehabt, aber davon wird an geeigneter Stelle die Rede sein.
    Einiges von unserem interessantesten Material über Julien persönlich betrifft Mary Beth und die Geburt ihrer ersten Tochter, Belle. Mary Beth bekam von Julien alles, was sie sich nur wünschen konnte; er veranstaltete für sie Bälle in der First Street, die jede private Festlichkeit in New Orleans übertrafen. Die Gartenwege, Balustraden und Springbrunnen in der First Street – das alles wurde für die Party zu Mary Beths fünfzehntem Geburtstag entworfen und angelegt.
    Mit fünfzehn war Mary Beth schon groß, und auf den Photos aus jener Zeit erscheint sie geradezu majestätisch und von dunkler Schönheit; sie hat große schwarze Augen und wunderschön geformte Augenbrauen. Aber ihre Haltung wirkt entschieden gleichgültig. Und diese scheinbare Abwesenheit aller narzißtischen oder eitlen Neigungen charakterisiert die Photos aus ihrem ganzen Leben. Manchmal ist ihre mannhafte Körperhaltung auf diesen Bildern von beinahe trotziger Lässigkeit; aber man muß sehr bezweifeln, daß sie wirklich trotzig und nicht eher geistesabwesend war. Oft wurde gesagt, sie habe ausgesehen wie ihre Großmutter Marguerite und nicht wie ihre Mutter Katherine.
    Julien und Mary Beth fuhren 1888 nach Europa, wo sie volle anderthalb Jahre blieben. In dieser Zeit wurde New Orleans durch eine große Zahl von Briefen an Freunde und Verwandte davon in Kenntnis gesetzt, daß die sechzehnjährige Mary Beth einen schottischen Mayfair »geheiratet« habe – einen Cousin aus der Alten Welt – und Mutter einer kleinen Tochter namens Belle geworden sei. Die Hochzeit, die in einer schottischen katholischen Kirche gefeiert worden war, wurde in allen blumigen Einzelheiten in einem Brief geschildert, den Julien einer Freundin im French Quarter schickte, einem notorischen Tratschweib, das den Brief überall herumzeigte. Andere Briefe von Julien wie auch von Mary Beth beschrieben die Hochzeit in verkürzter Form noch anderen

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