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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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traurigen…«
    »Peter Mayfair. Wir unterhalten uns später. Garland war mein Vater. Hat Ellie je von Garland erzählt?«
    Du lieber Gott, es waren lauter Mayfairs. Polly Mayfair und Agnes Mayfair, und Philip Mayfairs Töchter, und Eugenie Mayfair, und so ging es immer weiter. Wie viele mochten es wohl sein? Das war keine Familie, das war eine Legion. Sie drückte eine Hand nach der anderen und klebte immer weiter an dem fleischigen Mr. Lonigan, der sie so fest im Arm hielt. Zitterte sie? Nein, so etwas nennt man schlottern, nicht zittern.
    Lippen streiften ihre Wange. »… Clancy Mayfair, Clays Urenkelin. Clay wurde vor dem Bürgerkrieg in der First Street geboren. Meine Mutter ist Trudy Mayfair, hier, Mutter, komm, laßt Mutter mal durch…«
    »… so erfreut, dich zu sehen, Darling. Hast du Carlotta gesehen?«
    »Miss Carlotta fühlt sich sehr schlecht«, schaltete Mr. Lonigan sich ein. »Sie erwartet uns in der Kirche…«
    »… inzwischen neunzig Jahre alt, mußt du wissen…«
    »… möchtest du ein Glas Wasser? Sie ist ja weiß wie ein Laken. Pierce, hol ihr ein Glas Wasser.«
    »Magdalen Mayfair. Rémys Urenkelin. Rémy hat jahrelang in der First Street gewohnt. Das ist mein Sohn Garvey und meine Tochter Lindsey. Hier, Dan, Dan, sag hallo zu Dr. Mayfair. Dan ist Vincents Urenkel. Hat Ellie Ihnen erzählt von Clay und Vincent und…«
    Nein, nie, von niemandem. Versprich mir, daß du nie zurück gehen wirst, daß du nie versuchen wirst, heraus zu finden… Aber warum nicht? Warum, in Gottes Namen, nicht? Alle diese Leute – warum das Papier, warum die Geheimniskrämerei?
    »Fehlt dir auch nichts?«
    »Lily, Darling – Lily Mayfair. Du wirst nie alle unsere Namen behalten. Versuch’s erst gar nicht.«
    »… hier, wenn du uns brauchst, Rowan. Fühlst du dich wohl?«
    Ja. Mir geht’s prima. Ich kann bloß nicht sprechen. Ich kann mich nicht bewegen. Ich…
    Wieder spannten sich die Gesichtsmuskeln. Starr, starr am ganzen Leib. Sie hielt Mr. Lonigans Hand noch fester. Er sagte etwas zu ihnen, etwas davon, daß sie jetzt ihrer Mutter die letzte Ehre erweisen wolle. Befahl er ihnen, weg zu gehen? Ein Mann berührte ihre linke Hand.
    »Ich bin Guy Mayfair, Andreas Sohn, und das ist meine Frau Stephanie; sie ist Gradys Tochter. Sie war Ellies Cousine ersten Grades.«
    Sie wollte antworten – genügte denn das Händedrücken, genügte das Kopfnicken? Genügte es, die alte Frau wiederzuküssen, die sie küßte? Noch ein Mann sprach mit ihr, aber seine Stimme war zu leise. Er war alt; er sagte etwas von – Sheffield. Höchstens noch fünf Schritte bis zum Sarg. Sie wagte nicht, aufzublicken, weil sie fürchtete, ihn versehentlich anzuschauen.
    Aber dazu bist du doch hergekommen, und du mußt es jetzt tun. Und sie sind alle hier, Hunderte…
    »Rowan«, sagte jemand zur Linken, »das ist Fielding Mayfair, Clays Sohn.« Ein so alter Mann, so alt, daß sie alle Knochen seines Schädels durch die Haut sehen konnte, und auch die unteren und oberen Zähne und die Knochenkanten rund um die hohlen Augen. Sie hielten ihn aufrecht; er konnte nicht mehr allein stehen. Und all diese Anstrengung nur, damit er sie sehen konnte? Sie streckte die Hand aus. »Er will dich küssen, Honey.« Sie berührte seine Wange mit den Lippen.
    Seine Stimme war leise, und seine Augen waren gelb, als er sie anschaute . Sie bemühte sich zu verstehen, was er sagte – etwas von Lestan Mayfair und von Riverbend. Was war Riverbend? Sie drückte ihm die Hand; sie fühlte sich glatt und seidig und knotig und stark an.
    »Ich glaube, sie wird ohnmächtig«, wisperte jemand. Sie sprachen doch sicher nicht von ihr?
    »Möchtest du, daß ich dich zum Sarg führe?« Der junge Mann noch einmal, der gutaussehende junge Mann mit dem sauberen Studentengesicht und den strahlenden Augen. »Ich bin Pierce – wir haben uns vor einer Sekunde kennengelernt.« Makellose Zähne blitzten. »Ellies Cousin.«
    Ja, zum Sarg. Es wird Zeit, nicht wahr? Sie blickte hinüber, und es war ihr, als trete jemand beiseite, damit sie besser sehen konnte, und dann glitt ihr Blick sofort nach oben, über das Gesicht auf dem Kissen hinaus. Sie sah die Blumenbüsche über dem aufgeklappten Deckel, einen ganzen Dschungel von Blumen, und ganz rechts, am Fußende des Sarges, einen weißhaarigen Mann, den sie kannte. Die dunkelhaarige Frau neben ihm weinte und betete den Rosenkranz, und sie sahen sie beide an, aber wie, um alles in der Welt, konnte sie diesen Mann oder sonst

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