Hexenstunde
in sich fühlte, als stürbe sei. Trotzig und wütend stellte sie sich dagegen, sie trat mit zitternden Beinen vor, langte über die Theke und berührte seine Wange.
Rauh wie bei Michael. Und die Lippen seidig. Gott! Wieder taumelte sie zurück, wie gelähmt, außerstande, etwas zu tun oder zu sagen. Sie zitterte am ganzen Körper – es ging in Wellen durch ihre Glieder.
»Du fürchtest mich, Rowan?« Seine Lippen bewegten sich kaum, als sie den Blick darauf richtete. »Warum? Laß meinen Freund Aaron in Ruhe, hast du mir befohlen, und ich habe gehorcht, nicht wahr?«
»Was willst du?«
»Ach, es würde lange dauern, das zu erzählen«, sagte er, und sein schottischer Akzent klang immer stärker durch. »Und er wartet doch auf dich, dein Liebhaber, dein Ehemann, in dieser, eurer Hochzeitsnacht. Und es beunruhigt ihn schon, daß du nicht kommst.«
Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich sanft und schmerzgepeinigt. Wie konnte eine Illusion so lebendig sein?
»Geh, Rowan, geh wieder zu ihm«, sagte er traurig. »Und wenn du ihm sagst, daß ich hier bin, wirst du ihm größeren Kummer bereiten, als sogar du dir vorstellen kannst. Und ich werde mich wieder vor dir verbergen. Angst und Mißtrauen werden ihn zerfressen, und ich werde nur kommen, wenn ich will.«
»Also gut, ich werde ihm nichts sagen«, flüsterte sie. »Aber tu ihm nichts. Gib ihm nicht den kleinsten Anlaß zu Angst oder Sorge. Und deine anderen Tricks, vergiß sie! Plage ihn nicht mit deinen Tricks! Oder, das schwöre ich dir, ich spreche nie wieder mit dir. Und ich werde dich vertreiben.«
Das schöne Gesicht sah tragisch aus, und die braunen Augen blickten sanft und unendlich traurig.
»Wie du es willst, Rowan«, sagte er. Seine Worte flossen wie Musik, voller Trauer und stiller Kraft. »Was gibt es auf der Welt für mich – außer Rowan zu gefallen? Komm zu mir, wenn er schläft. Heute nacht, morgen, komm, wann du willst. Es gibt keine Zeit für mich. Ich bin hier, wenn du meinen Namen rufst. Aber sei aufrichtig zu mir, Rowan. Komm allein zu mir, und komme heimlich. Oder ich werde nicht antworten. Ich liebe dich, meine schöne Rowan. Aber ich habe einen Willen. Glaube mir.«
Die Gestalt schimmerte plötzlich, als scheine ein Licht ohne Ursprung auf sie; sie wurde heller, und eintausend winzige Details waren plötzlich sichtbar. Dann wurde sie durchscheinend, und ein warmer Luftzug erfaßte Rowan, erschreckte sie und ließ sie allein in der Dunkelheit, wo nichts mehr war.
Sie schlug die Hand vor den Mund. Die Übelkeit kehrte zurück. Sie stand da und wartete, bis es vorüber wäre, fröstelnd und nah daran, zu schreien. Dann hörte sie Michaels leisen, aber unverwechselbaren Schritt, er kam durch die Geschirrkammer und in die Küche. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen.
Er hatte eine Jeans übergezogen, aber Oberkörper und Füße waren nackt.
»Was ist denn, Honey?« flüsterte er. Dann sah er das Glas; es blinkte im Dunkeln am Fuße des Kühlschranks. Er bückte sich, hob es auf und stellte es in das Spülbecken. »Rowan, was ist denn?«
»Nichts, Michael«, sagte sie gepreßt und bemühte sich, das Zittern und die Tränen, die ihr in die Augen schossen, zu unterdrücken. »Mir ist nur schlecht, ein bißchen schlecht. Das war übrigens schon heute morgen so, und auch heute nachmittag, und auch gestern. Ich weiß nicht, woran es liegt. Jetzt kam es wohl von der Zigarette. Es ist gleich wieder vorbei, Michael, ehrlich. Gleich geht’s mir wieder gut.«
»Du weißt nicht, woran es liegt?«
»Nein, ich habe nur… ich nehme an… Zigaretten haben noch nie so auf mich gewirkt…«
»Dr. Mayfair«, sagte er. »Sie wissen es ganz bestimmt nicht?«
Sie fühlte seine Hände auf den Schultern. Sein Haar streifte sanft ihre Wange, als er sich vorbeugte und sie auf die Brüste küßte. Sie fing an zu weinen, und mit beiden Händen erfaßte sie seinen Kopf und fühlte sein seidenweiches Haar.
»Dr. Mayfair«, sagte er, »sogar ich weiß, woran es liegt.«
»Wovon redest du da?« wisperte sie. »Ich brauche nur Schlaf. Ich muß nach oben.«
»Du bist schwanger, Honey. Schau dich doch im Spiegel an.« Und ganz sanft berührte er noch einmal ihre Brüste, und auch sie spürte ihre Rundheit, das leicht wunde Gefühl, und sie wußte: Er hatte recht. Absolut recht.
Sie brach in Tränen aus. Sie ließ sich von ihm hoch heben, und er trug sie langsam durch das Haus. Ihr ganzer Körper schmerzte von der Anspannung dieser furchtbaren Augenblicke in
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