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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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war ‘ne Voodoo-Queen, da gibt’s nichts«, meinte Dave. »Das wußte jeder. Aber glauben Sie nicht, daß man bei ihr für ‘n Penny einen Zauber kriegte. Das war nichts für Stella. Stella hatte eine Börse mit Goldmünzen, die niemals leer wurde.«
    Red lachte traurig vor sich hin. »Am Ende hatte sie nie was anderes als Pech gehabt.«
    »Na, sie hat mächtig gelebt, bevor Lionel sie erschoß«, sagte Dave mit schmalen Augen; dabei beugte er sich auf den rechten Arm gestützt leicht nach vorne, während die Linke die Bierflasche umklammert hielt. »Und kaum war sie tot und begraben, da tauchte diese Börse neben Anthas Bett auf, und wo man sie auch versteckte, sie kam immer wieder zum Vorschein.«
    »Quatsch«, sagte Red.
    »Da waren Münzen aus der ganzen Welt in dieser Börse – italienische Münzen und französische Münzen und spanische Münzen.«
    »Und woher willst du das wissen?« fragte Red.
    »Pater Lafferty hat’s gesehen, was, Pater? Sie haben die Münzen gesehen. Miss Mary Beth hat sie jeden Sonntag ins Kollektenkörbchen geworfen, das wissen Sie doch. Und Sie wissen, was sie immer gesagt hat: ›Geben Sie sie rasch aus, Pater; sehen Sie zu, daß Sie sie bis Sonnenuntergang los sind, denn sie kommen immer zurück!«
    »Was heißt das, sie kommen zurück?« wollte Pater Mattingly wissen.
    »Zurück in ihre Börse, das meinte sie!« antwortete Dave mit hochgezogenen Brauen. Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Flasche, bis nur noch Schaum zurückblieb. »Sie konnte sie ewig weggeben, und sie kamen immer wieder zurück.« Er lachte heiser. »Das gleiche hat sie vor fünfzig Jahren zu meiner Mutter gesagt, wenn sie sie fürs Waschen bezahlte – ja, ganz recht, fürs Waschen; meine Mutter hat in vielen von den großen Häusern gewaschen, und sie hat sich nie dafür geschämt, und Miss Mary Beth hat sie immer mit diesen Münzen bezahlt.«
    »Quatsch«, sagte Red.
    »Und ich erzähl’ dir noch was«, sagte Dave. Auf seinen Ellbogen gestützt starrte er Red Lonigan direkt in die Augen. »Das Haus, der Schmuck, die Börse – das hängt alles zusammen. Genau wie der Name Mayfair, und daß sie ihn immer behalten, egal, wen sie heiraten. Immer Mayfair am Ende. Und willst du wissen, warum? Weil sie Hexen sind, diese Weiber! Jede einzelne.«
    Red schob Dave eine volle Bierflasche hinüber und sah zu, wie sich seine Finger darum schlössen. »Es ist die Wahrheit vor Gott, ich sag’s dir. Sie ist durch die Generationen auf sie herab gekommen, die Macht der Hexerei, und damals, in alten Zeiten, wurde viel darüber geredet. Miss Mary Beth, die war mächtiger als Stella.« Er nahm einen großen Schluck von Reds Bier. »Und schlau genug, die Klappe zu halten – im Gegensatz zu Stella.«
    »Und wie hast du es dann erfahren?« fragte Red.
    »Ich weiß es, weil meine Mutter mir erzählt hat, was Miss Mary Beth ihr damals erzählte, 1921, als Miss Carlotta ihr Examen in Loyola bestanden hatte und die ganze Welt ihr Loblied sang, eine so kluge Frau, Rechtsanwältin und das alles. ›Sie ist nicht die Auserwählte‹, sagte Miss Mary Beth damals zu meiner Mutter. ›Stella ist es. Stella hat die Gabe, und sie wird alles bekommen, wenn ich sterbe.‹ ›Und was ist das für eine Gabe, Miss Mary Beth?‹ fragte meine Mutter. ›Na, Stella hat den Mann gesehen‹, sagte Miss Mary Beth. ›Und diejenige, die den Mann sehen kann, wenn sie ganz allein ist, die erbt alles.‹«
    Pater Mattingly lief es eiskalt über den Rücken. Elf Jahre war es jetzt her, daß er die Beichte des Kindes gehört hatte, aber er hatte nicht ein Wort davon vergessen. Sie nennen ihn den Mann…
    Aber Pater Lafferty funkelte Dave an. »Den Mann gesehen?« wiederholte er kalt. »Und was, um Himmels willen, soll dieses Gefasel bedeuten?«
    »Na, Pater, ich möchte meinen, ein guter Ire wie Sie sollte die Antwort darauf wissen. Ist es nicht eine Tatsache, daß alle Hexen den Teufel ›den Mann‹ nennen? Ist es nicht eine Tatsache, daß sie ihn so nennen, wenn er mitten in der Nacht zu ihnen kommt, um sie zu unaussprechlichen Schandtaten zu verführen?« Wieder lachte er, tief krächzend und ungesund, und zog dann einen schmierigen Rotzlappen aus der Tasche, um sich die Nase zu putzen. »Es sind Hexen, und Sie wissen das, Pater. Das waren sie, und das sind sie noch. Sie haben die Hexerei geerbt. Und der alte Mr. Julien Mayfair, erinnern Sie sich an den? Ich wohl. Der wußte genau Bescheid; das hat meine Mutter mir erzählt. Und Sie wissen, daß es die

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