Hexensturm
und manche Dinge konnte man eben nicht ungeschehen machen. Wenn man etwas nicht ändern konnte, lernte man eben, damit zu leben.
Die Energie vor mir kam mir nun rasend schnell entgegen, und ich flog überglücklich darauf zu, bis ich eine Gestalt erkannte und abrupt anhielt.
Vanzir.
»Vanzir! Was tust du denn hier?«
Er schien ebenso verblüfft zu sein wie ich. »Keine Ahnung – ich war mit der Wache dran, und auf einmal wurde ich hierherversetzt und lief auf irgendwas zu … das warst wohl du.« Seine Augen wirbelten, und er senkte den Kopf. »Es tut mir so verdammt leid, Camille. Ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen … alles zurücknehmen. Wie bist du ihm entkommen? Geht es dir gut?«
Ich starrte ihn an. »Ich bin nicht körperlich hier. Vanzir, ich bin in den Nordlanden. Hyto hält mich gefangen.«
Er nickte ernst. »Ich weiß, dass er dich entführt hat. Wir haben den Umhang und den Baum gefunden. Smoky ist schon in der Anderwelt und sucht nach dir. Shade und Rozurial machen sich gerade auf den Weg in die Nordlande, also halte durch. Sie werden alles tun, um dich zu finden. Delilah und Menolly waren bei Großmutter Kojote – ich weiß nicht, was dabei herausgekommen ist. Sie waren schon losgefahren. Trillian und Shamas sind daheim und schützen das Haus, Morio, Iris und Maggie.«
»Mist, Smoky ist in der Anderwelt? Weiß er denn nicht, dass ich in den Nordlanden bin?«
Vanzir wurde bleich. »Er wollte in die Drachenreiche, um Hilfe zu holen. Aber er weiß nicht genau, wo du bist. Smoky … Ach, Camille, er macht mir entsetzliche Angst.«
»Aber du lebst noch?«
Mit einem traurigen Lachen neigte er den Kopf. »Als sie festgestellt haben, dass du entführt worden bist, hat Smoky mir eine Nachricht geschickt. Und einen Waffenstillstand vorgeschlagen. Er gibt sich selbst die Schuld, Camille. Er ist außer sich – was bedeutet, dass er extrem gefährlich ist. Als er den Baum entdeckt hat … und deinen Umhang … hat er mehrere Bäume samt Wurzeln einfach ausgerissen und zu Kohle verbrannt. Er hat seine natürliche Gestalt angenommen und hätte den gesamten Wald niedergetrampelt, wenn Trillian und Iris ihn nicht zurückgehalten hätten.«
Ich sank zu Boden. »Ich will nach Hause. Ich muss nach Hause. Vanzir, Hyto ist …« Ich blickte stumm zu ihm auf und zog meinen Rock hoch, um ihm die Blutergüsse an meinen Oberschenkeln zu zeigen. Dann deutete ich auf das Halsband. »Ich weiß nicht, wie lange er mich noch am Leben lassen wird. Er benutzt mich als Köder für Smoky. Du musst Smoky warnen, dass das Ganze eine Falle ist. Ich bin irgendwo in der Nähe von Hels Röcken, ganz im Norden. Eine große Höhle hoch oben in einem Berg.«
»Glaubst du, deine Rieseneidechse wüsste nicht, dass Hyto ihm eine Falle stellt? Aber das wird ihn nicht daran hindern, dir zu Hilfe zu kommen. Und die Götter mögen dem beistehen, der ihm dabei in die Quere kommt. Er wird jeden und alles töten, um dich zurückzuholen.«
Plötzlich begann Vanzir zu flackern. »Ich glaube, ich werde zurückgezogen. Ich muss weg, Camille. Ich kann mich hier nicht festhalten. Meine Kräfte habe ich verloren, aber heute Nacht ist irgendwas mit mir passiert – es muss mit der Dreifaltigen Drangsal zu tun haben. Es ist draußen auf ihrem Land passiert – ich weiß nicht, was …«
Und dann verschwand er in der Nacht, und ich spürte, wie ich in meinen Körper zurückgezogen wurde. Doch ehe ich in das Labyrinth im Berg zurückkehrte, hielt ich inne und starrte noch einmal zur schmalen Mondsichel hinauf.
Eine uralte Stimme hallte vom Himmel herab und fiel wie silbriger Regen um mich herum. »Meine Tochter, ich würde dich retten, wenn ich könnte. Doch alle Geschöpfe haben ihre Bestimmung, und dies ist wohl dein Schicksal. Doch deine Magie – vergiss niemals deine Ausbildung. Denk daran, du bist meine Tochter, mein Kind. Ich werde immer bei dir sein, im Grauen wie im Glück. Ich werde stets über dich wachen, dir helfen, wenn ich kann, und dir meine Liebe schicken, wenn ich es nicht vermag.«
Ich begann zu weinen – meine Herrin klang so traurig. Ich hörte es ganz deutlich in ihrer Stimme. Ich streckte die Hand dem Mond entgegen und wünschte mir nichts mehr, als zu ihr zu gehen, mit ihrer Wilden Jagd durch die Nacht zu reiten und im Rausch der Geschwindigkeit alles andere zu vergessen.
Doch der Mond verschwand, und ich irrte wieder durch das Labyrinth. Mein Alter Ego hatte auf mich gewartet, und ich
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