Hexentochter
zu. »Ihr seht ja, mit welchen Mitteln er gegen uns arbeitet«, sagte sie. »Wie wichtig es ist, dass wir zusammenbleiben.« Sie sah Holly fest in die Augen. »Und weshalb du unsere Hohepriesterin bleiben musst. Deine Macht ist stärker als Amandas.«
»Nicole kommt nach Hause«, fügte Amanda hinzu. »Dann sind wir wieder zu dritt.«
Holly fühlte sich, als hätte sie einen Stein verschluckt. Sie erwiderte: »Aber Jer und ich... zusammen sind wir sogar noch stärker. Unsere Macht ist unvorstellbar.«
Die anderen starrten sie ungläubig an.
»Wag es ja nicht, uns zu verlassen, Holly!«, schrie Amanda sie an.
Tommy trat zu Amanda und schlang den Arm um ihre Taille, auf diese schützende Art, wie ein fester Freund es tat - nicht wie ein bester Freund. Trotz allem fiel das Holly auf.
»Er wird gewinnen, wenn uns nicht jemand hilft«, erwiderte Holly. Sie versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten. Sie atmete ein paar Mal tief durch und sagte dann: »Ich weiß es, ganz tief in meiner Seele, Manda. Ich muss ihn retten. Meine Macht, verbunden mit seiner, kann seinen Vater besiegen.«
»Das kannst du gar nicht wissen!«, schrie Amanda. Leute drehten sich nach ihnen um. »Du weißt auch nicht mehr als wir. Wir reimen uns doch alles nur nach und nach zusammen!«
»Psst, Manda«, warnte Tommy sie. »Er könnte auch hier Spione haben. Wir müssen vorsichtig sein.«
Silvana hob die Hand. »Ich bringe jetzt Kialish nach Hause«, verkündete sie.
Das beendete den Streit. Alle drei bemerkten Kialishs zerzaustes Haar, seinen tieftraurigen, verlorenen Gesichtsausdruck, und die Spannung zwischen ihnen verflog augenblicklich. Tommy ließ den Arm an Amandas Taille, und Amanda erlaubte es ihm.
»Gut«, sagte Tante Cecile mit offenkundigem Stolz auf ihre Tochter. »Seid vorsichtig. Passt gut auf euch auf.«
»Auf uns hat er es ja nicht abgesehen«, entgegnete Silvana.
Scham wallte in Holly auf. Ich werde sie töten, einen nach dem anderen. Ich bin verflucht. Werde ich den Fluch auch zu Jer tragen? Werde ich auch ihn das Leben kosten?
Ich muss zu ihm. Ich weiß es. Und ich bin sicher, dass es nicht Michael ist, der mich zu ihm führt...
Am Fenster vor dem Konferenzsaal des Krankenhauses kreischte Fantasme, das gespenstische Hexentier der Deveraux, und schlug mit den Flügeln. Er war gerade erst auf magische Weise binnen eines Augenblicks von London aus zu seinem Herrn nach Seattle geeilt.
Der Vogel flog auf den Mond zu, badete in dessen Strahlen, wandte den glänzenden schwarzen Körper hierhin und dorthin.
Dann stieß er auf das Chaos vor der Klinik hinab, das sich schon bis ins Parkhaus erstreckte. Er landete auf dem erhobenen Arm von Michael Deveraux, der auf dem offenen Parkdeck auf ihn gewartet hatte.
Vogelaugen blickten in Hexeraugen, und Michael sah alles, was Fantasme gesehen hatte. Er nickte.
»Es wird Zeit, dass wir ein wenig Unheil anrichten«, sagte er zu dem Vogel.
Mit einer einzigen Geste teilte er die Menge vor sich. Leute bewegten sich ganz unbewusst – er hatte einen freien Weg vor sich, den niemand
sonst bemerkte.
Er stieg die Treppe hinab, statt den Aufzug zu nehmen. Kameras richteten sich nicht auf ihn, Reporter sahen ihn nicht. Niemand sah ihn oder das riesige, magische Geschöpf, das auf seinem Arm hockte.
Am Fuß der Treppe vor dem Haupteingang, in der Nähe eines Busches, schnippte er mit den Fingern.
Der Wichtel kam hervor. Der Mund mit den langen Reißzähnen grinste breit, die Augen glitzerten vor boshafter Freude. Er erinnerte Michael an Ariel, den Luftgeist aus Shakespeares Der Sturm.
Das Geschöpf hüpfte neben Michael her und blickte begierig zu ihm auf. Es fragte: »Wasss tun wir hier?«
»Wir führen Böses im Schilde«, erklärte ihm Michael.
Die drei Gestalten spazierten dahin, als wären sie allein im Wald, so wenig Aufmerksamkeit richtete sich auf sie. Dann sprach Michael einen Findezauber, schloss die Augen und sah im Geiste die Anhänger von Holly Cathers vor sich.
Die beiden jungen Leute mit Namen Silvana und Kialish wurden von einer übertrieben fröhlichen Frau in einem Krankenhauskittel mit Hawaii- hemd-Druck zum Ausgang geführt. Die Schwester versuchte vergeblich, ihnen Sandwiches zum Mitnehmen aufzudrängen. Michael schüttelte den Kopf und staunte über dieses völlig unpassende Benehmen. Der Junge hatte gerade seinen Liebsten verloren, Herrgott noch mal.
Michael setzte seinen ungehinderten Spaziergang fort und hielt mit seinen beiden Gefährten auf denselben Ausgang
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