Hexentochter
wäre sie lebendig - als sei sie an uns vorübergerauscht, um dann Euer Schiff anzugreifen. Gott erbarme sich unser.«
Mit hartem Blick wandte James sich Anne zu. »Zweifelt Ihr noch immer daran, dass es Hexen gibt?«
Jene Hexen... sind fähig, Stürme und Unwetter herbeizuführen, sei es auf See oder zu Lande, obgleich nicht allenthalben, so doch an bestimmter Stelle binnen solcher Grenzen, als Gott ihr Wüten nicht hindert: welche mit Leichtigkeit von jeglichem natürlichen Unwetter zu unterscheiden sind, dieweil sie so plötzlich und heftig sich erheben, doch nur von kurzer Dauer sind.
Der König legte die Feder nieder und presste die Fingerspitzen an die Schläfen.
Sein vertrauter Ratgeber wartete geduldig. Der Mann wusste, dass er James während des Schreibens nicht zu unterbrechen hatte. Schließlich blickte James müde auf. »Gibt es Nachricht über die Hexen, die die Königin und mich ermorden wollten?«
Nachdem er monatelang nur negative Antworten erhalten hatte, fürchtete er schon, dass er die Schuldigen niemals ausfindig machen würde. Es war ihm jedoch gelungen, einige Hexen aufzuscheuchen und Licht auf jene finsteren Orte zu werfen, die sie bewohnten.
»Ja, Euer Hoheit«, sagte der Mann, offenkundig sehr zufrieden mit sich. »Ein Gentleman möchte Euch im Vertrauen sprechen. Er behauptet, etwas über die Hexe zu wissen, die Euch angegriffen hat.«
James blinzelte überrascht. Konnte das wahrhaftig sein? Seine Müdigkeit war vergessen, und er befahl: »Führ ihn herein, und sorge dafür, dass wir nicht gestört werden.«
Sein Berater verneigte sich und ging. Augenblicke später geleitete er einen großen, dunkelhaarigen Mann herein, verließ dann das Gemach und schloss die Tür hinter sich.
»Euer Majestät«, sagte der Fremde und sank auf ein Knie nieder.
James bedeutete dem Mann, sich zu erheben, und beugte sich vor, begierig darauf, was dieser zu erzählen hatte. »Steht auf, guter Mann. Sagt mir, wer Ihr seid und weshalb Ihr mich zu sprechen wünscht.«
Der Mann gehorchte, neigte aber demütig den Kopf und erklärte: »Mein Name ist Luc Deveraux, Euer Majestät. Ich bin hier, weil ich Kenntnis von einer gemeinsamen Feindin erlangt habe.«
James zog eine Augenbraue hoch. »Und wer mag diese unglückselige Person sein?«
»Ihr Name ist Barbara Cahors.«
Der König war ein wenig enttäuscht. Das war niemand, den er kannte. »Dieser Name sagt mir nichts.«
»Das wird er bald, Euer Majestät«, erklärte Luc Deveraux ernsthaft und mit einer Miene, die große Besorgnis und Aufrichtigkeit ausdrückte. »Denn sie ist die Hexe, die jüngst versucht hat, Eure holde Königin und Euch selbst zu ermorden.«
James beugte sich noch weiter vor und musterte den Mann aufmerksam. Ich habe darauf gewartet, genau das zu erfahren. Eben deshalb muss ich an seinen Worten zweifeln. Höflinge streben stets danach, mir gefällig zu sein - oder vielmehr den Anschein zu erwecken.
Mit äußerst strenger Stimme sagte er: »Was gibt mir die Gewissheit, dass Ihr nicht einen persönlichen Groll gegen diese Frau hegt und sie deshalb durch meine Hand ins Verderben stürzen wollt?«
»Aber ich hege einen persönlichen Groll«, versicherte ihm Deveraux. »Ganz gewiss, Euer Majestät, und ich halte an meiner Anschuldigung fest.«
König und Königin wohnten der Hexenverbrennung persönlich bei. Barbara Cahors und ihre Dienerin standen auf großen Scheiterhaufen an Pfähle gefesselt, nachdem man sie der Hexerei sowie des Mordversuchs an dem Königspaar angeklagt und für schuldig befunden hatte. Luc Deveraux war ebenfalls anwesend, nah genug, dass Barbara ihn sehen konnte, doch so weit weg, dass sie die Soldaten, die sie bewachten, nicht so leicht auf ihn aufmerksam machen konnte.
Ein gehässiges Lächeln spielte um seine Lippen, als er sah, wie der Saum ihres Rockes Feuer fing. Bald würde die Hexe brennen, wie so viele unschuldige Frauen vor ihr. Barbara jedoch war alles andere als unschuldig. Er hatte sie unter großen Mühen hier aufgespürt. Spione und Zauber hatten ihm enthüllt, wo sämtliche verbliebenen Mitglieder des Cahors-Zirkels zu finden waren. Barbara war eine von mehreren Frauen, die er zu töten beabsichtigte. Die Feindin vernichtet zu sehen, war ihm eine große Freude. Vielleicht würde das Haus Deveraux das Haus Cahors nun endlich los sein.
Doch sein Sieg war noch nicht vollkommen. Barbaras junge Tochter Cassandra war entwischt, und obgleich er das ganze Land durchkämmt hatte, hatte er das Kind
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