Hexenzorn
Abfalleimern? Wo sind die Drogendealer? Warum ist alles begrünt anstatt asphaltiert? Und ein kaputtes Karussell sehe ich auch nicht.«
»Du solltest dich ein bisschen öfter aus deinem Viertel herausbewegen, Rondeau«, meinte Marla. »Auch bei uns zuhause gibt es annehmbare Parks. Zumindest in den Vororten.« Sie sah sich kurz um, dann fügte sie zähneknirschend hinzu: »Vielleicht nicht so groß wie dieser hier, und nach Einbruch der Dunkelheit sind sie nicht mehr sicher, die meisten jedenfalls, aber trotzdem …«
Nach einer Weile blieb Finch stehen und deutete mit dem Finger. »Das ist Strawberry Hill.«
Marla sah auf. Strawberry Hill war ein hoher, rundlicher Klumpen Land in einem kleinen See. »Eine ganz schön große Insel für so einen kleinen Tümpel«, sagte sie.
»Manche bezeichnen den Hügel als Melone mit einem Ring aus Wasser darum herum«, sagte Finch. »Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass selbst ein Miniaturwassergraben eine beachtliche Schutzfunktion haben kann.«
»Das stimmt«, sagte Marla. »Der Grenzstein ist dort drüben?«
»Zwischen den Bäumen.«
»Wie kommen wir auf die Insel? An den schmalen Stellen könnte ich wahrscheinlich hinüberspringen, aber ich nehme mal an, es gibt noch einen anderen Weg.«
»Es führen zwei Brücken hinüber«, sagte Finch. »Die breite und die schmale, aber wir nehmen keine von beiden. Es gibt nämlich eine dritte Brücke.« Finch sah sich um, dann zog er mit einer Handbewegung einen Schleier um ihre Dreiergruppe, und die Augen potentieller Beobachter sahen … einfach woandershin. Finch machte eine weitere Geste. »Hier entlang.«
Eine sanft geschwungene Brücke tauchte vor ihnen auf. Sie bestand aus groben Balken, die von dicken Ranken zusammengehalten wurden, und hatte ein Geländer aus schimmerndem Kupfer. In einem leichten Bogen spannte sie sich von dem Ufer zu ihren Füßen hinüber auf die andere Seite bis an die Böschung des Hügels. »Nach Ihnen«, sagte Marla. Finch überquerte die spröden Planken, und seine Schritte machten dabei nicht das geringste Geräusch.
Der Hügel auf der anderen Seite war dicht bewaldet, nur an einigen Stellen schien das Grün etwas lichter, und Marla blieb dicht hinter Finch, als er zwischen den Bäumen verschwand. Sie schleppten sich die steile Böschung hinauf; Marla kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, insbesondere, da die Insel eigentlich ziemlich klein ausgesehen hatte. »Hat da jemand ein bisschen an den euklidischen Gesetzen herumgespielt?«, fragte Marla und trat nach einem niedrigen Ast, der mit einem lautem Knacken abbrach.
»Wir haben den Raum ein bisschen verkrümmt«, antwortete
Finch. »Wir wollten verhindern, dass ein Spaziergänger zufällig über den Grenzstein stolpert, deshalb haben wir die topographische Oberfläche ein wenig in sich selbst zusammengefaltet und den Stein in einer der Falten versteckt.«
»Das hier hat viel zu viel von einem echten Wald«, sagte Marla zähneknirschend. Jedes Mal, wenn ein Blatt ihre Unterarme streifte, fühlte es sich an wie ein krabbelndes Insekt. Und gab es hier nicht auch Gifteichen? Sie war ein Geschöpf der Stadt, und ihre Jahre als Magieroberhaupt von Felport hatten diese Affinität noch verstärkt; in gewisser Weise war sie ihre Stadt und konnte sich selbst auf diesem eingezäunten Fleckchen Wildnis nicht zuhause fühlen. Sie blickte nach hinten über die Schulter, wo Rondeau friedlich, die Hände in seinen Hosentaschen vergraben, hinter ihnen her trottete. Seine Knie bewegten sich in einem gleichmäßigen Rhythmus auf und ab, als wäre er im Fitnessstudio auf einem Stepper oder einem ähnlichen Gerät zugange. Über ihm sah Marla nichts als blauen Himmel, keine Spur von den Wolkenkratzern der Stadt. Der gefaltete Raum verdeckte die Sicht darauf. Verärgert über ihren inneren Aufruhr versuchte Marla krampfhaft, die in ihr aufsteigende Panik zu unterdrücken. Seit ihren Kindertagen in Indiana hatte sie sich nicht mehr zwischen solchen Bäumen bewegt, und es beunruhigte sie, wie sehr diese Erfahrung sie aufwühlte - es fühlte sich an wie eine gefährlich schwache Stelle in ihrer Rüstung.
»Die Lichtung ist gleich da oben«, sagte Finch ein wenig außer Atem, was Marla zumindest die kleine Befriedigung verschaffte, dass sie offensichtlich besser in Form war als er. Sie streifte jeden Tag kreuz und quer durch ihre Stadt und
hatte den Verdacht, dass Finch die meisten seiner Geschäfte bequem von dem Zimmer aus erledigte, in dem er auch die Geister
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