Hexer-Edition 12: Die Hand des Dämons
nichts für Sie.« Ich runzelte die Stirn. »Von einer Annie Oakley hätte ich erwartet, dass sie auf andere Weise mit einem kleinen Falschspieler wie diesem Teagarden fertig wird.«
»Ein kleiner Falschspieler?« Annie lachte, aber es klang nicht sehr amüsiert. »Sie kennen Teagarden nicht«, fuhr sie fort. »Er ist alles andere als ein kleiner Gauner. Und er hatte diese Schuldscheine.«
»Haben Sie sie wirklich unterschrieben?«, fragte ich. »Oder war das nur ein weiterer Trick?«
»Ich habe sie unterschrieben«, gestand Annie. »Ich war dumm. Ziemlich dumm, fürchte ich. Aber ich habe gedacht, ich liebe ihn.«
»Und jetzt denken Sie es nicht mehr?«
Annie lächelte schmerzlich. »Schon lange nicht mehr, Robert. Aber als ich es begriff, war es zu spät.« Sie seufzte. »Das ist eine lange Geschichte. Und keine sehr schöne. Aber jetzt ist sie vorbei. Erzählen Sie lieber von sich, Robert.«
Ich sah nervös an ihr vorbei zu Codys Abteil. Bei dem Glück, das mich in den letzten Stunden verfolgte, wäre es eigentlich typisch, wenn Sitting Bull ausgerechnet jetzt auftauchte.
»Von mir?«, wiederholte ich. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich fürchte, ich bin ein ziemlich uninteressanter Mensch, von Ihrem Standpunkt aus. Jemand, der ein Leben führt wie Cody und Sie, ist sicher Aufregenderes gewohnt.«
»Ein Leben wie wir?« Annie lachte. »Sie irren, Robert. Cody, One-Shot und ich sind ganz normale Menschen.«
»Wieso nennt er sich One-Shot?«, fragte ich. »Das ist doch sicher nicht sein richtiger Name.«
»Natürlich nicht«, antwortete Annie. »Er behauptet, sein Ziel immer mit dem ersten Schuss zu treffen.«
»Stimmt es?«
»Wenn es nicht wesentlich kleiner ist als ein Scheunentor, ja«, bestätigte sie schalkhaft. Dann nickte sie. »Er ist ein verdammt guter Schütze. Nicht so gut wie ich, aber gut genug. Sie haben ihn in Teagardens Spielsalon erlebt.«
»Nicht so gut wie Sie?«, fragte ich, ihren letzten Satz bewusst überhörend.
»Niemand schießt so gut wie ich«, sagte Annie in einem Ton, der vollkommen ernst und frei von jeder Übertreibung war. »Jedenfalls niemand, von dem ich schon gehört habe.«
»Und was ist mit Sitting Bull?«, fragte ich unvermittelt.
Annies Lächeln wirkte plötzlich ein bisschen gezwungen. »Was … was soll mit ihm sein?«, fragte sie.
»Ist er auch ein ganz normaler Mensch?«, hakte ich nach.
Annie atmete hörbar ein. »Sie interessieren sich für ihn, nicht wahr?«, fragte sie. »Ich habe es schon vorhin beim Essen bemerkt. Bill übrigens auch.«
»Er ist immerhin der legendäre Sitting Bull«, antwortete ich. Die unausgesprochene Drohung in ihrem letzten Satz beschloss ich zu überhören, wenigstens im Moment.
»Das ist er«, bestätigte Annie. »Und?«
Sie rückte ein Stück von mir weg. Von einer Sekunde auf die andere wirkte sie merklich kühler und ich begriff, dass ich einen Fehler begangen hatte.
Ich versuchte zu retten, was zu retten war. »Ich habe schon immer für Indianer geschwärmt«, behauptete ich. »Schon als Kind.«
»Aha«, sagte Annie kalt. »Nun, Sie werden ja morgen noch Gelegenheit haben, mit ihm zu sprechen. Und mit Bill und Bodine auch.« Sie hob die Hände und begann demonstrativ ihre Oberarme zu massieren.
»Es wird kalt hier draußen«, sagte sie. »Ich denke, ich gehe besser in mein Abteil zurück.«
Sie wandte sich um, nickte mir zum Abschied zu und machte einen Schritt, blieb aber dann fast erschrocken stehen, als die Tür am vorderen Ende des Wagens aufging.
Eine Gestalt trat herein und ich erkannte die blitzenden Knöpfe und die charakteristischen Umrisse einer Schaffnermütze in dem schwarzen Schatten.
Dann bewegte sich der vermeintliche Schaffner auf Annie und mich zu.
Als er am Fenster vorüberging und sein Gesicht ins Mondlicht geriet, begann Annie zu schreien.
Der Wasserturm ragte wie das Skelett eines bizarren Urtieres in die Nacht hinauf. Die Sonne war längst untergegangen, aber es war noch immer warm und ein paar der Männer nutzten die Gelegenheit, das Ventil zu öffnen und ihre Tiere trinken zu lassen, vielleicht zum letzten Mal für viele Stunden.
Teagarden sah auf, als Joes Pferd mit einem unwilligen Schnauben neben dem seinen zum Stehen kam. »Sie waren hier«, sagte der Revolverheld. »Vor ungefähr einer Stunde.«
»Eine Stunde?« Teagarden runzelte die Stirn. »Dann …«
»Dann holen wir sie nicht mehr ein«, sagte Joe. Seine Stimme klang weit eher zufrieden als bedrückt. »Auf den
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