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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sein Herz begann vor Aufregung zu rasen, als er den Schatten wieder vor sich sah, sehr viel näher diesmal, aber sonderbarerweise noch immer so undeutlich wie bisher, obwohl ihn nur noch wenige Schritte von ihm trennten. Aber er war jetzt eindeutig zu weit gegangen, um noch einen Rückzieher machen zu können. So tat er so ziemlich das Dümmste, was ein siebzigjähriger Mann mit Gicht und einem schwachen Herzen in dieser Situation überhaupt tun konnte – er hob seinen Lederbeutel, sprang mit einem Satz aus seiner Deckung und rief ein lautschallendes: »Halt!«
    Die Gestalt reagierte ganz anders, als er erwartet hatte. Sie schrak nicht zusammen, fuhr nicht herum oder zauberte gar eine Waffe hervor – mit alledem hätte O’Connelly gerechnet und auf all dies hätte er ausgezeichnet reagiert, wenn auch immer auf die gleiche Art: mit einem deftigen Hieb seines Totschlägers. Aber statt zu erschrecken, drehte sich die Gestalt ganz gemächlich herum, blickte einen Moment aus unsichtbaren Augen in O’Connellys Richtung und trat dann auf ihn zu; allerdings sehr langsam.
    »Stehenbleiben!«, befahl O’Connelly noch einmal. »Zum Teufel, Bursche, wenn du noch einen Schritt machst, schlag’ ich dir die Nase bis an den Hinterkopf!«
    Tatsächlich blieb die Gestalt stehen und ihr Zögern gab O’Connelly ein bisschen von seinem verlorenen Mut zurück. Er streckte kampflustig das Kinn vor, wedelte drohend mit seinem Sandsack und trat seinerseits einen Schritt auf den Einbrecher zu.
    Eine Sekunde später entrang sich ein keuchender, halb erstickter Laut seiner Brust und eine weitere Sekunde später begann O’Connelly ernsthaft an seinem Verstand zu zweifeln.
    Es war kein Einbrecher, sondern allerhöchstem eine Einbrecherin, denn die Gestalt war eine Frau. Eine zwei Meter große, in eine Art hellgrüne Toga gekleidete Frau, auf deren Kopf der lächerlichste Hut saß, den O’Connelly jemals gesehen hatte – ein Kranz aus dreieckigen Spitzen, wie ein höchst albern symbolisierter Strahlenkranz. In der rechten Hand trug sie etwas, das eine Fackel darstellen mochte – einen kurzen Stiel, darüber gewundene Flammen, die aber bestimmt nicht brannten, denn sie waren aus Kupfer.
    Genau wie das Kleid der Frau.
    Oder ihr seltsamer Hut.
    Und sie selbst.
    O’Connelly keuchte. In das lähmende Entsetzen, das sich in ihm breit gemacht hatte, mischte sich Angst, dann alles verdrängende Panik, als er begriff, was er da sah. Er stand einer Frau aus Metall gegenüber!
    Und die bewegte sich …
    O’Connelly erwachte endgültig aus seiner Erstarrung, mit einem gellenden, in der Kehle schmerzenden Schrei. Er fuhr herum, hieb noch in der Drehung mit seinem Sandsack nach der kupfernen Frau und registrierte mit dem kleinen, klar gebliebenen Teil seines Denkens, dass der Sack platzte und sein Inhalt in alle Richtungen davonspritzte. Gleichzeitig versuchte er mit einem verzweifelten Satz von der Schreckensgestalt davonzuspringen.
    Es blieb bei dem Versuch.
    Eine unmenschlich starke Hand aus hellgrün angelaufenem Kupfer griff nach seiner Schulter und hielt sie fest. O’Connelly kreischte, viel mehr vor Schrecken und Angst als vor Schmerz, obwohl er spürte, dass der Griff der Metallhand sein Schlüsselbein brach. Er wurde herumgewirbelt, prallte gegen einen Kistenstapel und stürzte schwer zu Boden. Seine rechte Schulter war gelähmt, der Arm taub und nutzlos. Verzweifelt versuchte er vor dem entsetzlichen Ding davonzukriechen, aber selbst wenn die Kisten nicht hinter ihm gewesen wären, wäre er nicht schnell genug gewesen.
    Die Metallfrau beugte sich über ihn, zog ihn ohne spürbare Anstrengung auf die Füße. O’Connelly begann mit seiner unverletzten Hand auf das Gesicht der unmöglichen Gestalt einzuschlagen, erreichte aber damit nur, dass seine Knöchel aufplatzten. Das Blut auf dem bleichen Gesicht der Frau war sein eigenes. Und sie reagierte auch nicht auf seine Hiebe, sondern starrte ihn aus ihren kalten, kupfernen Augen an. O’Connelly sah keine Spur von Bosheit oder Hass in ihrem Blick, aber er sah auch kein anderes Gefühl darin. Die Metallfrau betrachtete ihn mit einer Art kühlem, wissenschaftlichem Interesse. So wie ein Mensch einen interessanten Käfer betrachten mochte.
    Und in ihrem Blick war auch nicht die mindeste Regung zu erkennen, als sie die Fackel hob, die sie in der anderen Hand trug, und sie O’Connellys Gesicht näherte.
    Und plötzlich begriff O’Connelly, dass er sich zumindest in einem Punkt geirrt hatte:

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