Hexer-Edition 17: Das Auge des Satans
den Sand über mich, sodass nur mein Gesicht frei blieb. Zu meiner Überraschung fühlte sich der Sand in der Grube angenehm kühl an. Erleichtert schloss ich die Augen, schickte Mahmoud noch einen lautlosen Fluch hinterher und fiel in einen Dämmerzustand, der halb zwischen Schlafen und Wachen lag, um meine Kräfte zu schonen.
»Er kommt.«
Guillaume de Saint Denis hörte Bruder Renards Worte kaum. Er fühlte sich wie im Fieber. In seinen Ohren rauschte das Blut und die Hitze, die sich unter seinem zum größten Teil aus Kettengeflecht bestehenden Templergewand gestaut hatte, dörrte seinen Körper unbarmherzig weiter aus. Seine Augen tränten ununterbrochen.
Aber das alles lag weniger an der Wärme und den jetzt seit Tagen dauernden Strapazen, als er Renard de Banrieux Glauben machen wollte. Es hatte einen anderen Grund. Einen gänzlich anderen.
Sie waren zu spät gekommen. Robert Craven, der Magier aus England, den sie durch geschickte Manipulationen dazu gebracht hatten, sich Nizar zu stellen und ihn zu bekämpfen, hatte ein wenig zu gut gearbeitet. Als sie den Marathonritt zu Nizars Wüstenfestung hinter sich gebracht hatten, hatten sie gerade noch gesehen, wie die Burg zu zerfallen begann; eine Ruine, die jetzt, da die magischen Kräfte, die sie erhalten hatten, erloschen, in wenigen Stunden einen Verfall erlebte, der normalerweise Jahrtausende gewährt hätte.
Trotzdem waren sie in das zusammenbrechende Gemäuer eingedrungen. Aber sie hatten weder von Robert Craven noch vom AUGE DES SATANS auch nur eine Spur gefunden.
Und auch sie war nicht da gewesen.
Guillaume hätte sich wohl eher die Zunge herausreißen lassen, ehe er diesen Umstand zugegeben hätte – aber es war nicht mehr allein sein Hass auf Nizar, nicht mehr der Befehl, das AUGE zu beschaffen, nicht mehr sein Wille, die Sandrose zu erstürmen, die ihn weitertrieben. Es war die Frau.
Die Dschinn.
Nur einmal – und nur für wenige Sekunden – hatte er sie gesehen, aber diese Augenblicke hatten gereicht, sein Leben zu verändern. Guillaume wusste, dass er nie wieder der Alte sein würde. Nicht, wenn er sie nicht wiedersah. Und erst recht nicht, wenn es ihm gelang.
»Hörst du, was ich sage, Bruder?«, fragte Renard. »Der Heide kommt.«
Guillaume fuhr hoch, lächelte entschuldigend und tat so, als wäre ihm das misstrauische Stirnrunzeln Renards nicht aufgefallen. Schlimmstenfalls konnte er sich darauf herausreden, dass er jetzt seit einer Woche fast ununterbrochen im Sattel saß und zu Tode erschöpft war. Nein, die Gefahr, dass sein finsteres Geheimnis entdeckt wurde, bestand nicht.
Nicht von Menschen, hieß das.
Und was sein Seelenheil anging – wenn es so etwas gab, dann hatte er es bereits verloren. Und er war bereit, es zu opfern, wenn er sie nur wiedersah. Er musste sie haben. Er musste einfach.
Um Renards Misstrauen nicht noch weiter zu schüren, wandte er sich mit einer bewusst raschen Bewegung um und trat neben ihn, die rechte Hand auf dem Schwert. Sein Blick tastete über den Rand des geborstenen Felsens hinweg in die Wüste und saugte sich an der in schwarzen Stoff gekleideten Gestalt fest, die hoch zu Kamel auf ihre Deckung zuritt.
Zwei weitere, beladene Kamele folgten dem Mann. Guillaume lächelte dünn. Craven hatte sie überlistet – freilich unabsichtlich und ohne es zu ahnen –, aber noch war das Spiel nicht vorbei. Noch lange nicht.
Die beiden Tempelritter warteten schweigend, bis der Mann näher kam und in einiger Entfernung absaß. Es war ein Beni Assar, wie sie an seiner Kleidung erkannten, ein hochgewachsener, sehr schlanker Mann unbestimmbaren Alters, dessen Gesicht fast völlig von einem struppigen schwarzen Vollbart verborgen wurde.
Mit gemessenen Schritten – die rechte Hand wie durch Zufall auf dem Griff des Krummsäbels an seiner Seite – näherte er sich der Felsgruppe und blieb erst stehen, als er Renard de Banrieux’ ansichtig wurde.
Guillaume presste sich in den schwarzen Schlagschatten des Felsens und bemühte sich, möglichst flach zu atmen. Er wusste, dass diese Wüstensöhne manchmal über schier übermenschlich scharfe Sinne verfügten.
»Hast du getan, was wir verlangten?«, begann Renard.
Mahmoud nickte. »Der fremde Zauberer ist allein«, sagte er. »Nicht weit von hier. Eine Stunde, mit euren Pferden.« Eine braune, alles andere als saubere Hand tauchte unter dem Stoff seiner schwarzen Jellaba auf. Einen Moment lang blickte Renard diese Hand mit bewusst übertrieben
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