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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wirkliche Entsetzen war erst später gekommen. Ich war wie betäubt, fühlte mich hilflos wie niemals zuvor in meinem Leben. Und selbst jetzt war der Schock noch nicht so groß, wie er eigentlich hätte sein müssen. Vielleicht weigerte sich mein Gehirn schlichtweg die Tatsache, dass Gray mich nicht erkannt hatte, zu akzeptieren und brauchte Zeit, um den unbegreiflichen Vorfall zu verarbeiten, sodass der eigentliche Schock erst später kommen würde, dann aber umso schlimmer.
    Vielleicht war ich durch die Erlebnisse der letzten Zeit auch einfach zu abgestumpft, um etwas anderes als ein dumpfes Gefühl der Taubheit zu verspüren.
    Etwas war während meiner Abwesenheit in London geschehen, auf das ich mir keinen Reim machen konnte. Senil war Gray nicht gerade zu nennen, auch den Gedanken, man könnte ihm das Gedächtnis geraubt haben, verwarf ich sofort wieder, denn an meinen Namen hatte er sich erinnert.
    Nur an mein Aussehen nicht.
    Gut, ich war schmutzig und zerlumpt, aber das reichte keinesfalls als Begründung. Nicht einmal die wahnwitzige Vermutung, ich könnte mich durch irgendetwas verändert haben, traf zu, wie mir ein Blick in eine spiegelnde Straßenpfütze zeigte.
    Aber was zum Teufel hatte das alles zu bedeuten? Die Szene hätte einem Albtraum entstammen können; einem von der ganz besonders gehässigen Sorte, bei denen man auch nach dem Aufwachen noch lange Zeit nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden kann. Aber ich war ja noch nicht einmal aufgewacht, obwohl ich mir nichts sehnlicher wünschte, als von der schmalen Pritsche in meiner Kabine an Bord der Jessica Thys aufzuspringen und meinetwegen auch wieder mit dem Kopf an den verdammten Balken darüber zu knallen, mit dem ich während der Überfahrt des Öfteren Bekanntschaft gemacht hatte.
    Es war nur ein Wunschbild und ich wusste es. Meine Ankunft in London war ebenso real wie alles, was danach passiert war.
    Alles in mir drängte mich danach so schnell wie möglich zum Ashton Place zu laufen, doch gleichzeitig verspürte ich Angst. Angst davor, dass mir dort das Gleiche passieren würde wie bei Gray. Der Gedanke, von Howard oder Rowlf ebenfalls nicht erkannt zu werden, war unerträglich. Denn irgendwo, tief in mir spürte ich, dass es so sein würde.
    Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf, ohne dass ich in der Lage war, mich zu konzentrieren und auch nur halbwegs klar zu denken.
    Ich fuhr zusammen, als ich die Berührung von etwas Hartem im Rücken spürte.
    »Keine unvorsichtige Bewegung«, befahl eine kalte Stimme.
     
    »Etwas stimmt nicht«, murmelte Priscylla.
    Unruhig ging sie in dem kleinen Krankenzimmer auf und ab, in das sie zusammen mit Jackson zurückgekehrt war. Durch irgendeinen dummen Zufall konnte ihr Fehlen entdeckt werden, obwohl er der allein verantwortliche Arzt für sie war und streng verboten hatte ihr Zimmer zu betreten, solange kein Notfall vorlag. Dann würde es einen Haufen Fragen geben und es war zu früh, Misstrauen auf sich zu ziehen. In zwei oder drei Wochen würde er seine Experimente abschließen können und dann war er stark genug, das gesamte Klinikpersonal unter seinen Willen zu zwingen. Solange musste auch sie sich noch gedulden. Noch war es zu früh die Maske fallen zu lassen.
    »Was soll denn nicht stimmen?«, fragte Jackson, obwohl er die Antwort kannte.
    Sie blickte ihn tadelnd an, schwieg aber.
    Jackson nahm ihren tadelnden Blick unsicher zur Kenntnis. Etwas an der jungen Frau beunruhigte ihn, aber er vermochte das Gefühl nicht in Worte zu kleiden. Seit sie vor über einem halben Jahr eingeliefert worden war, hatte sie eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht und manchmal glaubte er, dass es nicht allein auf die ihr verabreichten Medikamente und Drogen zurückzuführen war. Es musste noch etwas anderes geben, wovon er nichts wusste.
    Er hatte von Anfang an erkannt, dass sie ihm für seine Experimente nützlich sein konnte. In ihr schlummerten starke mediale Kräfte und es war ihm gelungen sie für seine Zwecke zu nutzen.
    Dennoch blieb ihm die Frau ein Rätsel. Die meiste Zeit über war ihr Verstand völlig klar – sah man von der Beeinflussung durch die Drogen ab –, doch geschah es immer wieder, dass sie in ihr bislang ungeklärtes Trauma zurückfiel und sich in dieser Zeit ganz und gar von der Umwelt abkapselte.
    Gelegentlich wurde sie ihm sogar regelrecht unheimlich, so wie in diesem Augenblick. Sie sprach auf die Drogen völlig anders an als normale Menschen. Zwar gehorchte sie ihm,

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