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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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über und über mit kleinen grauen Tierleichen bedeckt war.
    Joshua begann zu zittern. Er hatte die Augen geschlossen, doch ich sah, wie sie sich hinter den Lidern hektisch bewegten, wie bei einem Menschen, der von einem schlimmen Albtraum gepeinigt wird. Seine Lippen bebten. Langsam, zitternd, als hätte er Schüttelfrost, hob er die Hände und streckte beide Arme in meine Richtung aus. Nur im allerletzten Moment vermochte ich den Impuls zu unterdrücken, mit einer erschrockenen Bewegung vor ihm zurückweichen zu wollen.
    Seine Finger waren eiskalt. Und zugleich war es, als hätte mich Feuer berührt. Ein Strom pulsierender reiner Lebenskraft ergoss sich in meinen Körper und ich labte mich daran, wie sich ein Ertrinkender auf einen Schluck Wasser stürzen mochte.
    Sekunden vergingen, in denen ich nichts anderes tat als dazusitzen und das Leben zu genießen, das in meinen Körper zurückfloss und das schon fast ausgetrocknete Reservoir wieder aufzufüllen begann. Doch um bei dem Vergleich zu bleiben – es war kein klares Wasser, sondern brackig und trüb, und es strömte einen fauligen Geruch aus, den ich immer stärker zu fühlen begann, je mehr die Schwäche und das furchtbare Gefühl der Hilflosigkeit in mir nachließen. Als der Strom gestohlener Lebenskraft endlich schwächer wurde und dann ganz versiegte, war ich beinahe froh. Ich kam mir nicht mehr vor wie ein Ertrinkender, der im allerletzten Moment eine Quelle gefunden hatte, sondern wie ein Vampir, der das Blut seiner Opfer aussaugte und für sein Leben mit dem anderer bezahlte.
    Joshua wankte. Seine Hände sanken kraftlos herab, er taumelte und plötzlich war ich es, der rasch die Arme ausstreckte und ihn auffing, damit er nicht stürzte. Als er die Augen öffnete, waren sie trüb und ihr Blick verschleiert, wie der eines Menschen, der gerade aus einem langen, schweren Fieber erwacht war.
    Erschüttert sah ich mich um. Der Boden war mit Hunderten toter Tauben bedeckt, den Leichnamen der Tiere, deren Leben ich nun in mir selbst spürte, und wieder drängte sich mir der Vergleich mit einem Vampir auf, der vielleicht nicht nur im übertragenen Sinne richtig war. Ich fühlte mich schmutzig, viel weniger gerettet als besudelt, und für eine Sekunde wünschte ich mir fast, es rückgängig machen zu können. Es waren nur Tiere gewesen, deren Leben ich genommen hatte, keine Menschen, aber plötzlich begriff ich, wie winzig dieser Unterschied in Wahrheit war.
    Langsam hob ich die Hände vor die Augen. Sie waren noch immer schmal und grau, noch immer die Hände eines alten, kranken Mannes – und doch nicht mehr die, die sie noch vor einer Minute gewesen waren. Ich hatte nicht nur die Zeit zurückgewonnen, die ich im Schlaf verloren hatte, sondern musste – wenn sich auch mein übriger Körper so weit erholt hatte wie meine Hände; und es gab keinen Grund, daran zu zweifeln – noch einmal um gute zehn Jahre jünger geworden sein. Die Erkenntnis erfüllte mich nicht mit Erleichterung, sondern einfach nur mit Entsetzen.
    Das beinahe körperliche Gefühl, angestarrt zu werden, ließ mich den Blick wenden. Ich sah zu Landon und den anderen hinüber und was ich in ihren Gesichtern las, das war vielleicht das Schlimmste von allem bisher. Aus dem Schrecken auf ihren Zügen war Grauen geworden. Rasch wandte ich den Blick und sah wieder Pasons an, nur um nicht länger dem furchtbaren Starren der Menschen am anderen Ende des Raumes ausgesetzt zu sein.
    Joshua hatte seine Schwäche überwunden. Er zitterte noch immer leicht und er war blass, doch er konnte jetzt wieder aus eigener Kraft stehen.
    »Was hast du getan?«, flüsterte ich.
    Joshua lächelte schüchtern. »Ich weiß, dass es … nicht viel ist«, sagte er. »Es sind nur Tiere. Es wird nicht lange halten und ihre Kraft ist nicht gut.« Ein um Verzeihung heischender Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Dann hob er die Hand und deutete auf Landon und die anderen, ohne jedoch in ihre Richtung zu sehen.
    »Ihr habt mir nie gezeigt, wie man es mit Menschen macht«, sagte er. »Aber vielleicht seid Ihr jetzt stark genug, es selbst zu tun.«
    Ein Schlag ins Gesicht hätte mich nicht härter treffen können. Trotz allem hatte ich ein Gefühl wie Dankbarkeit empfunden, doch daraus wurde jäh Entsetzen, dann fast so etwas wie Ekel. Aber es galt nur eine einzige, allererste Sekunde dem fünfjährigen Jungen vor mir, der mich im Plauderton fragte, ob ich nun vielleicht in der Lage sei, auch das Leben eines Menschen

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