Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
freundlich und winkte hastig einen Kollegen herbei, der uns zu Cohen führen sollte.
Den eingestürzten Hansom-Komplex bekamen wir erst gar nicht zu sehen, was mir auch ganz recht war. Im Gegensatz zu den meisten Menschen, die insgeheim nur deshalb über die Sensationslust anderer schimpften, weil diese ihnen die Aussicht in der ersten Reihe versperrten, war ich tatsächlich kein bisschen schaulustig. Vielleicht lag es daran, dass ich in meinem Leben schon zu viel Schlimmes gesehen hatte, um mich noch begierig am Unglück anderer zu ergötzen. Es ist eine eigenartige Sache mit dem Unglück – wenn man sich zu sehr damit beschäftigt, macht man es auf sich aufmerksam.
Wir stiegen eine lange Treppe hinunter, die in eine im Bau befindliche U-Bahn-Station führte, und gingen ein Stück durch einen der Tunnel. Ein Bauarbeiter händigte uns Schutzhelme aus und bestand zu unserer eigenen Sicherheit darauf, dass wir sie aufsetzten. Der Tunnel verlief stark abschüssig und nach einigen Dutzend Yards mussten wir eine Leiter in einem engen Schacht hinunterklettern, um eine noch tiefer gelegene Etage der unterirdischen Baustelle zu erreichen, wo wir auch endlich auf Cohen trafen. Er trug ebenfalls einen Schutzhelm, der ihm sichtlich zu groß und tief in die Stirn gerutscht war.
Kaum hatte er mich erblickt, kam er auch schon auf mich zu. »Craven, endlich. Wo haben Sie denn bloß gesteckt?« Meist redete er mich mit Robert an; dass er jetzt den förmlicheren Nachnamen benutzte, zeigte deutlich, dass es sich um eine offizielle Angelegenheit handelte, aber das war wohl auch nicht anders zu erwarten, wenn er mich ausgerechnet hierher bestellte.
Ich setzte zu einer geharnischten Antwort an, die in etwa darauf hinauslaufen würde, dass ich nicht vorhätte, untätig in meiner Hotelsuite herumzusitzen und darauf zu warten, bis er mich eventuell einmal zu sprechen wünschte, doch er ließ mich erst gar nicht zu Wort kamen, sondern machte eine wegwerfende Geste und schob sich den Helm aus der Stirn. »Ist ja auch egal. Die Hauptsache ist, Sie sind da.«
»Dann können Sie uns sicherlich auch endlich sagen, was Sie von uns wollen«, entgegnete Howard, und Rowlf maulte nuschelnd: »Wahrscheinlich suchta noch’n paar Dumme zum Saubamachn.«
Cohen ignorierte ihn. »Der Grund, aus dem ich Sie hergebeten habe, ist nicht der Einsturz des Hauses«, erklärte er. »Damit hätte Scotland Yard höchstens zu tun, wenn es darum ginge, die Verantwortlichen festzunehmen, aber das ist nicht meine Angelegenheit. Aber im Zusammenhang mit dem Einsturz ist etwas sehr Seltsames passiert. Um ehrlich zu sein, ich bin völlig ratlos, was dahinterstecken könnte. Sie haben sich doch stark für diese kleine Insel interessiert, die voriges Jahr an der Themsemündung auftauchte.«
Ich nickte. Das Erscheinen der Insel musste in irgendeiner Form mit dem von mir verschuldeten Auftauchen R’lyehs zu tun haben. Insofern hatte ich gar nicht anders gekonnt, als mich mit der Insel zu beschäftigen, und mein Interesse war erst wieder erlahmt, als feststand, dass es sich nicht um R’lyeh handelte, sondern einfach nur um ein paar Felsen, die durch eine Laune der Natur an dieser Stelle auf dem Meer aufgestiegen waren. Möglicherweise war die Insel ein Teil des Grundes, auf dem die Stadt einst gestanden hatte, doch R’lyeh selbst war verschwunden und nach wenigen Tagen war das Eiland von einem Zerstörer der britischen Kriegsmarine gesprengt worden. Cohens Worte nun machten mich neugierig und besorgt zugleich.
»Was ist los mit der Insel – und was hat sie mit dem hier zu tun?«, wollte ich wissen.
Cohen schob sich den Helm in den Nacken und kratzte sich an der Stirn. »Gerade das weiß ich eben nicht, aber Sie haben eine gewisse Erfahrung mit ähm … seltsamen Ereignissen. Deshalb hoffe ich, dass Sie mir vielleicht weiterhelfen können. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, um was es geht.«
Er drehte sich um und führte uns tiefer in den Tunnel hinein. Nach einer Weile erreichten wir einen schmalen, mit Stahlträgern abgestützten Durchbruch in dem herabgestürzten Geröll der Einbruchstelle. »Bei den Tunnelarbeiten stießen die Männer auf eine bislang unbekannte, ziemlich große Höhle«, berichtete er, während wir uns hindurchzwängten, wobei vor allem Rowlf an einigen Stellen beträchtliche Schwierigkeiten hatte. »Man vermutet, dass die Erschütterungen beim Durchstoßen der Höhlenwand den Einsturz verursacht haben, was sich bis auf den Hansom-Komplex
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