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Verbindungsagentin, klingelt bei Familie Moravec. Sie wird in die Küche geführt. Dort trifft sie auf Valčík, der in einem Sessel sitzt. Sie kennt ihn seit der Zeit, als er in der Stadt Pardubice als Kellner arbeitete, in der sie mit ihrem Mann lebt. Freundlich wie eh und je, entschuldigt er sich mit einem Lächeln: Er hat sich den Knöchel verstaucht und kann nicht aufstehen.
Hanka hat den Auftrag, Valčíks Bericht der Gruppe von Bartoš zu überbringen, der in Pardubice geblieben ist, um London mit Hilfe des wertvollen Senders «Libuše» auf dem Laufenden zu halten. Valčík bittet die junge Frau, seine Verletzung nicht zu erwähnen. Als Verantwortlicher der Gruppe «Silver A» ist Leutnant Bartoš immer noch offiziell sein Missionsleiter. Aber er lehnte das Attentat von Anfang an ab. Valčík hat sich sozusagen selbst von «Silver A» zu «Anthropoid» versetzt. Angesichts des Verlaufs der Ereignisse hat er nicht das Gefühl, irgendjemand Rechenschaft schuldig zu sein, außer seinen beiden Freunden Gabčik und Kubiš (die hoffentlich wohlauf sind), allenfalls Beneš persönlich und vielleicht noch Gott (man hat mir erzählt, er sei gläubig gewesen).
Die junge Tschechin eilt zum Bahnhof. Doch bevor sie in den Zug steigt, fällt ihr ein neues rotes Plakat ins Auge, und sie bleibt stehen. Sofort ruft sie bei Familie Moravec an: «Sie sollten sich hier mal etwas Interessantes anschauen kommen.» Auf dem Plakat prangt Valčíks Foto. Und darunter: «10 000 000 Kronen Belohnung!» Es folgt eine relativ ungenaue Beschreibung des Fallschirmspringers – eine weitere kleine Chance für Valčík zusätzlich zu der Tatsache, dass das Foto ihm nicht besonders ähnlich sieht. Sein Familienname wird erwähnt, doch der Vorname und das Geburtsdatum (das ihn fünf Jahre jünger macht) stimmen nicht. Ein kleiner Hinweis unten auf dem Plakat ruft unauffällig ins Gedächtnis, was den ganz besonderen Reiz einer jeden Suchanzeige ausmacht: «Mitteilungen aus der Bevölkerung, die zur Ergreifung des oben Abgebildeten führen und auf Wunsch streng vertraulich behandelt werden , erbittet unter Hinweis auf die ausgesetzten 10 000 000 Kronen die Geheime Staatspolizei.»
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Doch es gibt Interessanteres zu sehen als dieses Plakat.
Bata baute sein Imperium vor dem Krieg auf. Er begann mit einer kleinen Schuhfabrik in seiner Heimatstadt Zlín und schuf ein riesiges Unternehmen, das mittlerweile Filialen auf der ganzen Welt und vor allem in Tschechien unterhält. Um der deutschen Okkupation zu entfliehen, emigrierte er in die Vereinigten Staaten. Aber die Geschäfte bleiben während der Abwesenheit des Chefs geöffnet. Am Wenzelsplatz Nummer 6 erhebt sich ein Gebäude, in dem ein gigantisches Bata-Schuhgeschäft untergebracht ist. An diesem Morgen werden im Schaufenster keine Schuhe ausgestellt, sondern andere Artikel: ein Fahrrad, zwei lederne Aktentaschen und auf einem Kleiderständer ein Regenmantel und ein Hut – die Beweisstücke, die am Tatort gefunden wurden. Außerdem hängt dort ein Aufruf an etwaige Zeugen. Die Fußgänger, die vor dem Schaufenster stehen bleiben, können Folgendes lesen:
«Unter Hinweis auf die ausgesetzte Belohnung von 10 000 000 Kronen, welche für Angaben aus den Reihen der Bevölkerung, die zur Ergreifung der Täter führen, ausgeschrieben ist und in voller Höhe zur Auszahlung gelangt, werden folgende Fragen gestellt:
1. Wer kann Angaben über die Täter machen?
2. Wer hat die Täter am Tatort beobachtet?
3. Wem gehören jene näher beschriebenen Sachen, und wer vor allem vermisst jenes beschriebene Damenfahrrad, Mantel, Hut und Aktentasche?
Wer die geforderten Informationen erteilen könnte, dies jedoch aus eigenem Willen bei der Polizei nicht tut, wird im Sinne der verlautbarten Verordnung des Reichsprotektors von Böhmen und Mähren über die Verkündung des zivilen Ausnahmezustandes vom 27. Mai 1942 samt seiner Familie erschossen.
Allen Personen wird versichert, dass ihre Angaben als streng vertraulich behandelt werden.
Außerdem ist es Pflicht aller Haus-, Wohnungs- und Hotelbesitzer usw., mit Beginn vom 28. Mai 1942 sämtliche im ganzen Protektorat polizeilich bisher nicht gemeldeten Personen unter Hinweis auf jene Bekanntmachung bei den zuständigen polizeilichen Meldeämtern anzumelden. Entgegenhandelnde werden mit dem Tode bestraft.
Der Höhere Leiter der SS und Polizei
beim Reichsprotektor
von Böhmen und Mähren
K. H. Frank»
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Die tschechische Exilregierung
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