Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
dunklen Bungalow-Flur ist es nicht gut zu erkennen, aber ich glaube, Felix hat mit einmal ganz rote Ohren.
»Also, ich muss jetzt los. Zur Arbeit«, teile ich den beiden gereizt mit – immerhin habe ich einen triftigen Grund, mich aus dieser peinlichen Situation zu verabschieden.
»Schade«, sagt Felix. »Danke noch mal für deine Unterstützung, Iris. Und schöne Grüße an Jörg.«
»Werde ich ausrichten!«, antworte ich automatisch.
Während ich aus der Tür eile, höre ich noch Melanies »Tschüsi, Iris!«.
Diesmal lasse ich mich nicht zu einem Echo hinreißen.
»Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag«, rufe ich zurück.
Ich nehme eilig den Plattenweg zur Pforte des schmiedeeisernen Zauns. Auf der Straße werfe ich einen Blick auf die Uhr. O Gott. Ich werde nur im Laufschritt und wenn ich sofort eine Bahn kriege rechtzeitig zu meinem ersten Nachmittagstermin das Amt erreichen.
Ziemlich aus der Puste, dafür aber vollgepumpt mit frischer Frühlingsluft, stürze ich fünfzehn Minuten später ins Ordnungsamtes und überhole auf der Treppe locker einen Besucher, der vermutlich zu mir will. Als ich die letzte Ecke vor meiner Tür nehme, stoße ich mit Bruno zusammen. Er fängt mich auf und hält mich an beiden Schultern fest.
»Iris, alles in Ordnung?«, fragt er.
»Danke, Bruno. Alles in Ordnung«, antworte ich, trete hastig zwei Schritte zurück und greife nach der Klinke meiner Bürotür. »Ich habe gleich einen Termin.«
»Wie geht es denn Felix?«, fragt Bruno.
Obwohl er doch sieht, wie eilig ich es habe.
»Gut. Sehr gut sogar«, sage ich ziemlich ungehalten. »Seine neue Freundin kümmert sich ja ganz toll um ihn.«
»Ach«, stöhnt Bruno. »Herrjemine.«
Er sieht plötzlich sehr bekümmert aus.
Und ich komme mir richtig fies vor.
»Bis später, Bruno«, sage ich rasch und entschwinde beschämt in mein Zimmer. Hinter der Tür bleibe ich stehen.
Ich höre, wie Bruno sich entfernt. Er scheint ja keine großen Stücke auf Felix’ Freundin zu halten. Kein Wunder aber auch. Sie ist wirklich unmöglich. Ich Brunos Angebetete! Es schüttelt mich kurz.
Ich lasse die Tür einen Spalt offen, hänge Jacke und Handtasche in den vergilbten Garderobenschrank und werfe mich erschöpft in meinen Schreibtischstuhl.
»Herein!«, rufe ich, als Schritte erklingen.
Der Mann, den ich eben auf der Treppe überholt habe, steckt seinen Kopf durch die Tür.
»Na, Sie sind aber mal eine flotte Beamtin!«, sagt er anerkennend.
Stimmt. Das immerhin ist in meinem Leben, wie es war.
»Mögen Sie vielleicht ein Bonbon?«, frage ich mit einem kleinen Lächeln und halte ihm die Schale mit der bunten Auswahl hin.
Sechstes Kapitel
S obald ich den Computer heruntergefahren habe, rufe ich Emma an.
»Hallo, Iris!« Ihre Stimme ist klar und fest. Sie liebt es, auf ihrem Display die Anrufer zu identifizieren, um ihnen bei der Begrüßung zuvorzukommen.
»Hallo, Emma«, sage ich.
Mit einmal weiß ich nicht mehr, wie ich anfangen soll. Fast platze ich mit Felix’ drogeninduzierter Liebeserklärung heraus.
»Gut, dass du anrufst, Iris«, sagt Emma. »Hast du heute Abend Zeit? Für was Tolles?«
Ich seufze still. Leider hat Emma fast jeden Abend etwas Tolles: Konzert, Theater, Programmkino, Lesung, Vernissage, politisches Podium, Volkshochschulkurs, Selbsterfahrungsseminar … und in den letzten Wochen scheint sie besessener davon denn je, bloß keinen ruhigen Abend in ihrer noblen Altbauwohnung an der Marcusallee zu verbringen.
»Ja, ich hab Zeit«, sage ich matt.
Eigentlich sehne ich mich nach einem völlig bildungsfreien Abend, an dem ich mich erst gründlich bei meiner besten Freundin über Jörg ausheulen und dann über seine von ihr so klug erkannten Unarten auslassen kann.
»Na, super. Ich habe nämlich was ganz Spannendes aufgetan«, verkündet Emma.
Ich atme tief durch.
»Aha. Was denn?«
»Hast du auch wirklich Lust mitzukommen?«, fragt Emma nicht mehr ganz so enthusiastisch. »Du klingst etwas erschöpft, Iris.«
Erschöpft. Eigentlich ein prima Stichwort. Jetzt könnte ich mit meinem ganzen Schlamassel herausrücken.
Aber, ach … warum soll ich Emma den Spaß verderben?
Ich gehe einfach mit zu der Veranstaltung und erzähle ihr danach, was passiert ist.
»Doch, doch, ich habe Lust«, beteure ich. »Wir können ja im Anschluss noch auf ein Glas Wein irgendwo hingehen.«
»O ja, gute Idee«, sagt Emma fröhlich. »Ich hol dich um fünf ab.«
»Verrätst du mir noch, um was es sich
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