Hier und jetzt
ich Risiken, aber ich habe inzwischen mehr Verstand entwickelt.”
„Kann sein. Ich muss Ihnen erklären, worauf Sie bei der Party achten sollten.” Er wechselte das Thema so unvermittelt wie die Fahrspur kurz vor der Ausfahrt. „Ich sagte schon, dass Murchison angedeutet hat, dass er sich vielleicht aus der Stellar-Sache zurückzieht.”
„Dann bezahlt er allerdings eine gewaltige Konventionalstrafe.”
„Immer noch viel weniger als die zwei Millionen, die er aufbringen muss, wenn er weitermacht. Er ist nervös”, fuhr Jacob fort. „Ich muss den Grund erfahren. Er hat vage Andeutungen über Gerüchte gemacht, die meinen Informationen über die Fir ma entsprechen.
Das kann stimmen. Es mag aber auch sein, dass ihn jemand unter Druck setzt und er sich deshalb auf meine Kosten sanieren will. Das lasse ich allerdings nicht zu.”
Sie beobachtete, wie sich sein Gesicht verhärtete. Nein, dieser Mann hatte nicht die Absicht, für Murchisons Fehler zu bezahlen. „Ich bin mit dem Bericht, den Sie mir gegeben haben, noch nicht ganz fertig, aber Murchison hat in den letzten drei Monaten mindestens eine Million aus seinen üblichen Investitionen abge zogen, vielleicht sogar mehr.”
„Wohin hat er das Geld verschoben?”
„Das weiß ich bisher nicht.” Sie hatte allerdings bereits eine Idee. „Murchison ist verheiratet.”
Er schenkte ihr ein geradezu sündiges Lächeln, das nicht zu einem Mann passte, der angeblich so kalt wie Eis war. „Sehr gut. Ja, eine hässliche Scheidung ist der wahrscheinlichste Grund, weshalb ein verheirateter Mann plötzlich eine bedeutende Geldmenge verschwinden lässt. Genau deshalb gehen wir heute Abend zu dieser Party.”
„Er wird kaum darüber sprechen.”
„Auf jeder Party gibt es Gerüchte, dass die Ehefrau etwas mit dem Tennislehrer hat oder der Ehemann mit der Sekretärin. Deshalb nehme ich Sie mit. Die Leute werden nicht hinter Ihre schö ne Fassade blicken und Sie unterschätzen. Falls Sie noch nicht gelernt haben, das zu Ihrem Vorteil einzusetzen, ist es höchste Zeit dafür. Und dann ist da noch Ihr Kleid.”
„Was ist denn mit meinem Kleid nicht in Ordnung?” fragte sie gereizt.
„Absolut nichts, im Gegenteil. Es ist von schlichter Eleganz und gleichzeitig ungeheuer aufreizend. Sie sind der ideale Auslöser für einen Herzinfarkt. Die meisten Männer werden vergessen, vorsichtig zu sein und ihre Zunge zu hüten. Auch das ist ein guter Grund, Sie mitzunehmen.”
Allmählich wurde sie zornig. „Sie haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass Sie die besonderen Fähigkeiten Ihrer Ange stellten herausfinden und entsprechend einsetzen. Gibt es vielleicht eine bestimmte Person, die ich für Sie verführen soll?”
„Außer mir selbst, meinen Sie? Nein”, erwiderte er lakonisch, „ich möchte, dass Sie sich in dieser Hinsicht ganz auf mich konzentrieren.”
Beinahe hätte er sie zum Lachen gebracht. Höchste Zeit, das Thema zu wechseln. „Gibt es noch etwas, das ich über die Murchisons wissen sollte und das nicht in der Akte steht?”
Er warf ihr einen für ihn typischen Blick zu, der nicht zu deuten war, gab ihr jedoch bereitwillig Auskunft. In den nächsten zwanzig Minuten bemühte sich Claire, so zu tun, als würde sie nur an Berufliches denken und nicht überlegen, ob sie von diesem Mann vielleicht doch mehr wollte.
5. KAPITEL
Die Sonne war schon fast ganz untergegangen, als Claire und Jacob ihr Ziel erreichten.
Murchison lebte in einem Wohngebiet für reiche Leute. Die Häuser waren von großen Gärten umgeben, in denen Eichen und Tannen wuchsen.
Claire war nervös. Ob sie heute jemanden von damals wieder traf? Dabei beunruhigte sie weniger die Aussicht auf eine solche Begegnung. Es war vielmehr ein Geist, der sie irritierte der Geist der Frau, die sie mit zweiundzwanzig gewesen war, der Frau, die sich sorglos der Leidenschaft hingegeben hatte.
Sie war sich ihrer Gefühle sicher gewesen. Anfangs. Hastig drängte sie die Erinnerungen zurück.
Vermutlich waren schon die meisten Gäste eingetroffen. Wagen verstopften jedenfalls die Straße, die den kleinen Hügel zum Haus hinaufführte. Jacob parkte am Fuß des Abhangs. Der Abend war mild genug, dass Claire ihren Schal löste und zu den Ellbogen rutschen ließ, als sie zum Haus gingen.
„Mariachi-Musik?” fragte sie und bemühte sich, gelassen zu klingen. „Etwas seltsam für eine Weihnachtsparty.”
„Laura Murchison ist amerikanisch-mexikanischer Abstammung.” Jacob ging so dicht neben
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