Hier und jetzt
die jemals gemacht worden waren.
Sie schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze. Ken hatte ihr schon beim Kennenlernen geschworen, sie für immer und ewig zu lieben. Sie erinnerte sich an seine klare, wohlklingende Stimme, die man auch im Kirchenchor hören konnte. Sie erinnerte sich an zu viel.
Sie wollte nicht, dass jemals wieder ein Mann sie liebte. Freundschaft und Fürsorge hatten Bestand. Liebe grenzte zu dicht an Irrsinn.
Ken Lawrence war natürlich nicht der einzige Mann, der sich jemals um sie bemüht hatte.
Er war jedoch der Einzige, der sie von seinen Gefühlen überzeugt hatte. Für diesen Fehler hatte sie teuer bezahlt - und nicht nur sie. Danny …
„Können Sie nicht schlafen?” fragte Jacob.
Seine Stimme hätte sie eigentlich beruhigen sollen, tat es jedoch nicht. „In meinem Kopf dreht sich alles.”
„Der Chirurg hat versichert, dass die Chancen sehr gut stehen, dass Ihr Cousin sich völlig erholt.”
Sie hatte von den Erklärungen des Chirurgen nur begriffen, dass Danny lebte, dass keine wichtigen Teile des Gehirns geschä digt waren und dass sie Danny kurz sehen durfte, sobald er die Wachstation verließ.
„Er hat die Augen geöffnet, als ich zu ihm gehen durfte”, sagte sie. „Und er hat mich erkannt.” Er war an alle möglichen summenden und piependen Maschinen angeschlossen gewesen. Das Gesicht war weiß wie das Laken gewesen. Aber er hatte die Augen geöffnet, als sie seine Hand drückte. Er hatte sie angesehen und gewusst, dass sie bei ihm war.
„Das ist ein gutes Zeichen.”
Claire versuchte, nur an Dannys blaue Augen zu denken, doch andere Sorgen drängten sich in den Vordergrund. Wie sollte sie zum Beispiel den Chirurgen bezahlen? Sie hatte die Rechnung übernommen.
„Wie haben Sie und Sergeant Muldrow sich eigentlich kennen gelernt?” fragte Jacob und verließ die Interstate.
Claire griff die Frage gern auf. „Beim Basketball. In der achten Klasse wollte ich in die Mannschaft eintreten. Meine Mutter wünschte sich, dass ich Cheerleader werde, aber ich wollte aufs Spielfeld und nicht vom Rand aus anderen zujubeln.” Sie lächelte bei der Erinnerung. „Jackie war ungefähr zwanzig Mal so gut wie ich oder jede andere. Das hat nicht nur mit ihrer Größe zu tun. Sie ist auch schnell, und sie bewegt sich so geschmeidig, dass man es erst merkt, wenn der Ball schon im Netz landet. In dem Jahr habe ich ständig versucht, sie zu schlagen.”
Er lachte leise. „Sie haben schon Ihren Kampfgeist erwähnt.
Und dann wurden Sie Freundinnen?”
„Das war Jackies Verdienst. Sie sah in mir keine Gefahr und nahm unsere Rivalität daher nie ernst. Hat mich das damals vielleicht geärgert! Ich wollte alles hundertprozentig. Das galt auch für Jackie, aber nicht beim Basketball. Schon damals wusste sie, dass sie Polizistin werden wollte.”
„Sie bewundern Jackie.”
„Natürlich tue ich das.”
„Achte Klasse … In dem Jahr starb Ihr Vater, nicht wahr?”
Claires Lächeln erlosch. „Ja, richtig.”
Er hielt vor der letzten Ampel vor dem Anwesen der Wests. Hier waren die Häuser dunkel, abgesehen von ein oder zwei Lampen der Außenbeleuchtung, und die Straßen waren leer.
„Meine Mutter starb, als ich fünf war.”
Sie sah ihn überrascht an. „Sie waren schrecklich jung.”
„Ja. Meine Lage war allerdings anders als Ihre. Meine Eltern waren geschieden, und ich lebte seit meinem dritten Lebensjahr bei meinem Vater.”
Bei ihm war es tatsächlich anders gewesen. Seine Mutter hatte ihn gleich zwei Mal verlassen, einmal bei der Scheidung und ein zweites Mal durch den Tod. „Ganz gleich, wie alt man ist - nach dem Tod eines geliebten Menschen fühlt man sich immer verlassen. Mit vierzehn wusste ich wenigstens, dass mein Vater mich nicht absichtlich verlassen hatte.”
Die Ampel zeigte Grün. Jacob warf Claire einen Blick zu und fuhr weiter. „Ich wollte von Ihnen kein Mitgefühl.”
„Mitgefühl und Verständnis sind nicht dasselbe.”
„Ich wollte, dass Sie verstehen. Ich halte nichts vo n einer Scheidung, wenn Kinder betroffen sind, es sei denn, die Ehe der Eltern ist zerrüttet oder die Kinder sind in Gefahr. Und Kinder sind durchaus möglich, selbst wenn wir sehr vorsichtig sind.”
Ihr Magen krampfte sich zusammen. „Es scheint mir ziemlich voreilig, so etwas zu sagen.”
„Ich setze nicht voraus, dass Sie mich heiraten werden. Ich setze gar nichts voraus. Genau deshalb möchte ich über Themen wie Kinder oder unsere Ansichten
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