Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Mont’éal zu’ückb’ingt, wenn es di’ hie’ nicht gefällt.«
»Wirklich?«
»Ja. Abe’ mi’ gefällt es hie’ gut. Ich möchte nicht gleich wiede’ zu’ück.«
Isabelle nahm den Strauß und steckte die Nase hinein, um ihre Gefühle zu verbergen. Das Wetter war abscheulich, und sie waren alle von Kopf bis Fuß verdreckt. Sie befanden sich, umgeben von Wilden, mitten im Nirgendwo und hatten nichts als Biberfleisch zu essen… Aber Gabriel war glücklich. Sie strich über die runde Wange ihres Sohnes und drückte einen Kuss darauf.
»Wenn das so ist, werde ich mein Bestes tun, damit er uns nicht nach Montréal zurückzubringen braucht.«
Die folgenden Tage verliefen keineswegs so erholsam, wie man sich eine Ruhepause für gewöhnlich vorstellt. Jean Nanatish und seine Gefährten kehrten bald mit den Kanus und einem Brief an den Notar Guillot zur Mission von Deux-Montagnes zurück. In dem Schreiben beruhigte die Witwe Larue ihn und teilte ihm mit, wohin er ihr die Post nachschicken solle.
Isabelle war entschlossen, die Hütte wohnlicher zu gestalten, und säuberte sie zusammen mit Marie und Gabriel von oben bis unten. Sie räumte die Küchenecke so um, dass sie praktischer zu benutzen war, und stellte einen Brotkasten auf… nun ja, eine Art Rindenschachtel, die als Brotkasten diente. Auf die Bitte der neuen Hausherrin brachte Alexander noch zwei Regale an, auf denen Kessel, Schüsseln, Kuchenformen mit Kupferboden, Tassen, Teller, Krüge, Trinkbecher sowie die Kaffeekanne und die Teekanne aus französischer Fayence Platz fanden, die Isabelle ausgewählt hatte, weil sie stabil waren. Nur das Service für vier Personen aus Worcester-Porzellan blieb eingepackt. Man konnte es hervorholen, wenn es galt, den Priester der Gemeinde angemessen zu empfangen – wenn es denn einen gab, was nicht ganz sicher schien.
Die einzigen Luxusgegenstände, die Isabelle mitgebracht hatte, waren ihre Kerzenleuchter aus Messing, zwei Öllampen, etliche kleinere Ölfunzeln und drei eiserne Laternen. Eine der Letzteren wurde über den Tisch gehängt. Gabriels jetzt verstummte Geige prangte stolz an einer Wand, zwischen einem Spiegel, der auf der Reise einen unschönen Sprung bekommen hatte, und dem Fenster, das Isabelle mit einem Laken verhängt hatte. Sie beschloss, diesen bescheidenen Vorhang während des Winters mit Stickereien zu schmücken. Arbeiten könnte sie in der hellsten Ecke des Raumes, wo sie einen alten Stuhl und einen Flechtkorb aus Eschenzweigen aufgestellt hatte, den Mikwanikwe ihr geschenkt hatte und der ihr Nähzeug enthielt.
Als alles an seinem Platz war, bat Isabelle Alexander, den großen, gusseisernen Kessel am Kaminhaken aufzuhängen. Obwohl sie verkündet hatte, jede Vergeudung würde streng bestraft, ging Marie in der Hütte umher und verstreute nach altem Brauch überall eine Prise Salz, um das Böse zu bannen.
Während in den nächsten Tagen Munro ein neues, kleineres Kanu baute, leistete Alexander Isabelle im Haus Gesellschaft und half ihr bei den schwierigsten der dringenden Arbeiten. Keiner der beiden mochte von der Vergangenheit sprechen, und ihre Beziehung war gespannt.
Diese frustrierende Mischung aus Nähe und Distanz verdross Alexander, und er beschloss, dass es Zeit war, wieder auf die Jagd zu gehen. Regelmäßig brach er jetzt mit seinem Cousin im Morgengrauen auf und kehrte erst bei Einbruch der Dunkelheit zurück. Die getöteten Tiere wurden sofort gehäutet und zerlegt. Das Fleisch bereiteten sie entweder gleich zu oder schnitten es in feine Streifen, die sie in der Sonne auf Gitterrosten trockneten. Das Fett wurde in Behältern aus Rinde aufbewahrt und diente zum Kochen, aber auch zum Schutz vor den Mücken und um Leinwand wasserdicht zu machen. All diese Arbeit war anstrengend, aber sie hielt einen auch davon ab, allzu viel zu grübeln. Rasch sammelten sich die Felle an und verhießen gute Aussichten für den Verkauf und damit eine Verbesserung ihrer Lage.
Der Umstand, dass sie sich nicht mehr den ganzen Tag sahen, verbesserte die Beziehung zwischen Isabelle und Alexander beträchtlich. Nach einem harten Tag, den sie damit zugebracht hatte, auf die Insekten zu schimpfen, sich in dem von Unkraut überwucherten Küchengarten abzuplagen und Gabriel, der im Schlamm spielte, auszuschelten, stelle Isabelle fest, dass sie ihr Haar mit einem Band schmückte oder sich eine Blume ans Mieder steckte, wenn sie den Schotten zurückerwartete. Die Gewohnheit, die sich langsam einstellte,
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