Himmel der Suende
die schmalen Hüften entgegen.
Er ließ es sich nicht anmerken, während er in ihre Umarmung versank, aber nach all den Jahrtausenden war er ihrer andauernden Eskapaden müde. Wenn er erst einmal auf dem Thron saß, würde er sich ihrer endlich entledigen. Ein für alle Mal. Doch bis es so weit war, brauchte er sie noch.
Er konnte ja nicht ahnen, dass sie in diesem Moment ganz genau das Gleiche dachte.
3. KAPITEL
Albträume
Anya schreckte von ihrem Kopfkissen hoch.
Das Herz in ihrer Brust raste wie ein in einem viel zu kleinen Käfig gefangener Kolibri. Die dünne Decke und den Bezug der von Generationen ihrer Vorgängerinnen durchgelegenen Matratze hatte sie im unruhigen Schlaf weggestrampelt, und das Baumwollnachthemd war getränkt von ihrem Schweiß.
Es dauerte einige Momente, ehe sie - mit noch immer fliehendem Atem und weit aufgerissenen Augen - verstand, dass sie wach und das eben Erlebte wieder nur einer ihrer schrecklichen Träume war.
Sie erinnerte sich an jedes furchtbare Detail.
Sie hatte von einer Stadt geträumt - einer uralten Stadt. Die zumeist einstöckigen Gebäude aus getrockneten Lehmziegeln standen dicht an dicht wie Lämmer in einem zur Schlachtung zusammengepferchten Korral, im Innern einer mehr als vier Meter hohen Mauer aus Bruchsteinen, Mörtel und angespitzten Pfählen.
Die Häuser brannten, und eine dicke Säule schwarzgrauen Rauches stieg dem sternenschwangeren Wüstenhimmel entgegen, untermalt von einem grausigen Orchester menschlicher und tierischer Schreie.
In den dünnen Pfaden und Gässchen zwischen den lodernden Gebäuden rannten die Menschen, die es nach draußen geschafft hatten, in wilder Panik umher - vergeblich auf der Suche nach einem Weg, dem Labyrinth des sicheren Todes zu entkommen.
Doch die beiden Tore an der östlichen und westlichen Seite der Mauer waren verriegelt. Magisch verriegelt von dem Wesen, das gekommen war, die Bewohner der Stadt wegen ihrer Sünden mit seinem gewaltigen Flammenschwert zu bestrafen. Dieses Wesen stand nun auf einem Berg in der Nähe und blickte auf die brennenden Früchte seiner Arbeit herab.
Es hatte auf dem Rücken weite Schwingen, ähnlich denen eines Adlers, und auch der Kopf des Wesens war, trotz der ansonsten eher menschenähnlichen Gestalt, der eines schneeweißen Adlers, nur sehr viel größer. Die Hände waren Raubvogelklauen, und die rechte davon hielt das noch immer flammende Schwert.
Mit großen schwarzbraunen Augen betrachtete es mitleidlos das Sterben der Verurteilten - und als einige davon es über die Mauer schafften und hinunter zum Ufer des Toten Meeres flüchteten, schwang es sich auf, um sie zu verfolgen und einen nach dem anderen mit seiner Feuerklinge niederzustrecken.
Eiskalt. Erbarmungslos.
Das Wesen wartete geduldig, bis die Stadt schließlich auf ihre Grundmauern niedergebrannt war und auch die allerletzten Schreie verstummten. Dann breitete es seine Flügel aus und flog hoch in die Luft - in Richtung der Himmel, seiner Heimstatt. Und während es flog, nahm der Adlerkopf menschliche Züge an. Züge, die Anya seltsam vertraut erschienen und die sie, als die Verwandlung allmählich mehr und mehr vollzogen war, endlich erkannte - als ihre eigenen.
Das war ich, schoss es ihr durch den Kopf. Ich habe all diese Menschen ermordet!
„Es war nur ein Traum“, sagte da eine leise Stimme neben ihr, und jemand setzte sich zu ihr aufs Bett. Es war Svedlana, mit der Anya sich die kleine Kammer teilte. Ungeschminkt, mit ordentlich gebürsteten Haaren und im pinkfarbenen Pyjama statt in ihren absichtlich abgerissenen Klamotten sah das Crunch-Girl überhaupt nicht mehr aus wie ein männermordender Vamp. Ihre Augen blickten fürsorglich, und sie nahm die am ganzen Leib zitternde Anya in den Arm.
„Aber ... aber ...“, stotterte Anya, „es fühlte sich so real an. So als wäre ich wirklich da gewesen.“ Tatsächlich konnte sie sogar noch den Schwertgriff in ihrer Handfläche fühlen.
„Nein, du bist hier“, flüsterte Svedlana beruhigend auf sie ein und streichelte ihr das verschwitzte Haar. „Hier in London in Claires Studio. Nicht dass das nicht auch irgendwie ein Albtraum wäre.“
Sie mussten beide schmunzeln.
„Besser als zu Hause“, sagte Anya.
„Oh ja“, stimmte Svedlana zu. „Das auf jeden Fall. Hier kriegen wir fürs Geficktwerden wenigstens Geld und ein Dach überm Kopf.“
Svedlanas trockener Humor und ihre warme Nähe vertrieben allmählich die Schrecken des Traums, und Anya kuschelte
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