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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Klühspieß, die Hausschneiderin des Landkreises, die beschlossen hatte, sich in Zukunft »Couturière« zu nennen. Als Letztes kam die Frau Landrat Kurbjeweit, die sich für was Besseres hielt, nachdem sie vor Jahren einmal im Zug nach Königsberg ein Abteil mit einer russischen Großfürstin geteilt hatte.
    Frau Klühspieß bestritt den Großteil der Unterhaltung. Seitdem sie auf Wallerstein verkehrte, hatte man sie stillschweigend für gesellschaftsfähig erklärt, und ihr Ansehen im ganzen Landkreis war enorm gestiegen. Sie kam viel herum und war bestens informiert über Geheimnisse und Neuigkeiten, die die Damen brennend interessierten, auch wenn sie das nie zugeben würden.
    »Kürzlich habe ich die Frau Baronin Eyersfeld in Gumbinnen gesehen«, begann die Klühspieß mit vielsagendem Gesichtsausdruck.
    »Na, was ist daran so verwunderlich?«, fragte die Frau Landrat. »Ich könnte Ihnen dort auch begegnen. Schließlich wohne ich da und die Baronin doch nun man auch dort in der Nähe.«
    »Na ja, sie war nicht allein.« Die Spannung stieg.
    »Wer kam wo herein?«, schrie die alte Gräfin Von der Hals.
    »Niemand kam herein, Else«, sagte Wilhelmine und bot der alten Dame hastig einen Kaffee an.
    »Nu salbadern Sie man nicht rum«, drängte die Frau Professor Koch, »so geheimnisvoll wie Sie das sagen, war es wohl nicht der alte Baron.«
    »Natürlich nicht.« Die Klühspieß war leicht beleidigt. Als ob sie salbadern würde … das hatte ihr schon lange keiner mehr gesagt. Und das in diesem Ton! Sie entschloss sich, die Bemerkung zu ignorieren, und fuhr fort. »Es war der junge Goelder, der rothaarige aus Ashruten. In der Konditorei am Marktplatz … herumscharmutziert haben sie … man soll sie da schon öfter gesehen haben.«
    »Also wenn sie sich nur auf den Tag beschränken«, kommentierte Frau Professor Koch überraschend humorig, »dann geht es ja noch.«
    »Das möchte ich aber doch stark bezweifeln«, warf Wilhelmine ein und zog die Augenbrauen hoch.
    »Also mir wird das jetzt aber wirklich ein bisschen zu schlüpfrig.« Frau Kommerzienrat Heller rümpfte indigniert die Nase. Das musste sie nun unbedingt mal sagen. Sie beteiligte sich ja sonst nie an derartigem Klatsch, obwohl er sie brennend interessierte …
    »Unter uns gesagt, meine Damen«, meldete sich Frau Professor Koch, »was geht uns das an? Und solange der alte Baron – er ist ja nu man wirklich schon ganz schön klapprig – nichts dagegen hat, sollten wir den Mantel der Liebe darüber decken.«
    »Hach!«, lachte Wilhelmine höhnisch, »den Mantel der Liebe! Wie passend! Und was heißt denn ›nichts dagegen hat‹ – er wird es gar nicht wissen.« In diesem Moment meldete Kurt die Ankunft von Aglaia und Elvira.
    »Wer wird von was nichts wissen? Guten Tag, die Damen!« Elvira hatte beim Betreten des Zimmers den letzten Satz noch gehört.
    »Ach, das ist gar nicht wichtig«, winkte Wilhelmine ab. Sie wollte auf keinen Fall mit Elvira über Ursula streiten. »Wie schön, dass ihr hier seid!«
    »Guten Tag, Mamachen. Hast du eine Ahnung, wann Papa wiederkommt?«, fragte Aglaia.
    »Seit seiner Abreise nach Berlin habe ich nichts von ihm gehört«, antwortete Wilhelmine, wandte sich aber sofort der Kommerzienrätin zu, die mit begehrlichem Blick auf die duftenden Waffeln schielte. »Nehmen Sie nur, meine Liebe. Wenn’s schmeckt, soll man essen.«
    »Meine Güte … wo soll das bloß alles hin. Ich kann ja gar nicht mehr«, wehrte sich die Kommerzienrätin halbherzig.
    »Nun greifen Sie schon zu.« Wilhelmine reichte ihr einen frischen Teller. Die Unterhaltung plätscherte dahin, Aglaia und Elvira langweilten sich mit Anstand, hatten die wenigen Themen, um die das Gespräch kreiste, bald satt. Ab und an beteiligten sie sich an dem Gespräch, aber es dauerte nicht lange, und sie brachen auf.
    »Wir wollen rechtzeitig zum Abendbrot zuhause sein«, entschuldigte sich Elvira. »Eberhard kommt heute spät von Linderwies, und Jesko isst nicht gern allein.« Auf der Heimfahrt beschlossen die beiden einhellig, die Besuche auf Wallerstein in Zukunft etwas einzuschränken.
    Jeden Abend betrachtete Aglaia den Himmel und sprach zu Tanyas Stern. Es war für sie, als würde sie ihrer geliebten Cousine schreiben. »Es wird alles gut, Tanyachen«, sagte sie immer wieder. »Papa hat es versprochen, und du weißt, was er verspricht, das hält er auch.« Sie erzählte von ihrem neuen Leben, ihrer Liebe zu Eberhard und dem harmonischen Zusammenleben mit Jesko

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