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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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haben sie’s auf den Flughafen von Aix abgesehen«, sagte er. »Der ist keine drei Kilometer von hier.«
    »Wenn so nah ein Flughafen ist, hätten die Franzosen uns hier nicht unterbringen dürfen«, erwiderte eine unbekannte Stimme. »Das verstößt gegen das Völkerrecht. Ich bin Jurist!«
    »Dann machen Sie doch eine Anzeige! Das wird den Kommandanten schwer beeindrucken!«
    »Still!«, zischte Waluschek. »Ich kriege gerade einen Sender rein!«
    Während Harry zurück zu seiner Nische kroch, sah er vor sich in der Dunkelheit die Röhre von Waluscheks Radio aufschimmern. Es war das erste Mal, dass der Nazi so ungeniert den Apparat benutzte. War er sich seiner Sache schon so sicher, dass er das Versteckspiel nicht mehr für nötig hielt? Wie Schattengeister scharten sich im glimmenden Phosphorschein immer mehr Gefangene um den Wiener und sein Radio. Abgesehen von Waluschek hatten bisher die Nazis im Lager stillgehalten. Jetzt witterten sie offenbar Morgenluft und wagten sich aus der Deckung.
    »Heute Morgen hat Benito Mussolini Frankreich den Krieg erklärt«, tönte es aus dem Lautsprecher. »Gleichzeitig haben italienische Einheiten in die Kampfhandlungen eingegriffe n …«
    »Na endlich spuren die Spaghettifresser!«, lachte Waluschek. »Keine drei Tage, dann sind wir hier raus!«
    »Ganz meine Rede! Auf Adolf ist Verlass!«
    Harry bekam eine Gänsehaut. War das der Jurist gewesen? Oder Wilfried Kümmerich, der Tierstimmenimitator aus Leipzig?
    Während die Einschläge näher und näher kamen, hatte Harry ein Gefühl, als würde sich eine unsichtbare Hand um seine Kehle schließen und langsam, ganz langsam zudrücken.
    Hatte Bobby also doch recht gehabt?
    22
    Obwohl der Sommer noch gar nicht richtig begonnen hatte, brannte die Sonne schon so heiß vom Himmel wie sonst nur im August. Seit dem frühen Morgen arbeitete Laura im Weinberg, und der Schweiß rann ihr in Strömen vom Leib. Hier draußen im Freien war die Verzweiflung leichter zu ertragen als in der dröhnenden Einsamkeit ihres Hauses, und körperliche Arbeit war die einzige Methode, um sich selbst und ihr Elend zu vergessen.
    Die Reben der Weinstöcke blühten, es war Zeit, sie gegen Unkraut und Insekten zu schützen. Mit einer Disziplin, als müsse sie eine Schuld abtragen, wiederholte sie die Handgriffe, die sie von den Bauern in der Nachbarschaft gelernt hatte. Stundenlang hackte sie den steinigen Boden, bis ihr die Haut an den Händen platzte, und schleppte unter Aufbietung all ihrer Kräfte die schwere Kanne mit Kupfersulfat den Hang hinauf, von Rebstock zu Rebstock, um die Pflanzen einzusprühen. Das Gift war türkisbla u – dieselbe Farbe wie die Augen ihres Geliebten.
    Erst als die Dämmerung anbrach, kehrte sie zu ihrem Haus zurück. Wie jeden Abend empfing sie im Hof das Schaf. Das Tier scheuerte sich an ihrem Bein, da bellte irgendwo der streunende Köter. Eilig trieb Laura das Schaf ins Haus und verriegelte die Tür.
    Das Biest war Florence. Sie wollte sich an ihr rächen, weil Harry ihr das Kind geraubt hatte. Jetzt wollte sie Lauras Kind rauben. Um es Harry zu schenken.
    Als das Gemäuer sie in seinen Schutz nahm, bekam Laura einen Weinkrampf, und der Klumpen in ihrem Magen schwoll zu solcher Größe an, dass sie in die Küche lief, um sich einen Tee zu brauen. Sie hasste dieses Haus, in dem sie so glücklich gewesen war, es war schlimmer als jedes Gefängnis. Kaum hatte sie den bitteren Sud getrunken, musste sie sich übergeben. Als sie sich über dem Spülstein erbrach, hatte sie auf einmal das Gefühl, sie würde ihr Kind auskotzen, und für einen Augenblick verspürte sie eine so wunderbare Erleichterung, dass sie über sich selber erschrak. Aber dieses Gefühl dauerte nur einen Augenblick, dann war der Klumpen wieder da.
    »Warum tust du mir das an? Ist das deine Rache?«
    Obwohl sie wusste, dass es falsch war, war sie ins Atelier gegangen, um mit Harry zu reden. Sie konnte nicht anders. Sie hatte Harry in Pepe gesehen, ihren Geliebten in einem Kretin!
    Wusste sie nicht mehr, was Wirklichkeit und was Einbildung war?
    Durch den Schleier ihrer Tränen sah sie sein Bild. Kalt erwiderte Harry ihren Blick. Nur seine Lippen bewegten sich. Seit sie ihren Sinnen zum Opfer gefallen war und mit Pepe geschlafen hatte, sprach er wieder mit ihr.
    »Alles ist deine Schuld«, sagte er. »Früher warst du jung und schön und stolz. Jetzt bist du alt und hässlich und voller Angst. So kann ich dich nicht mehr lieben. Darum habe ich dich

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