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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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leidtut und Seirēn … sie haben es ja nicht gewollt.«
    Marlon reagierte nicht sofort, sondern sah weiter in den Himmel.
    Â»Schade«, sagte er irgendwann, »es ist zu bewölkt, um das Sternbild des Wassermanns zu sehen. Ich glaube, dass einer dieser Sterne da oben dazugehört, aber ich bin mir nicht sicher.«
    Â»Stellt es denn Brijan dar?«, fragte ich in neckendem Ton.
    Marlon antwortete vollkommen ernst. »Nein, aber vielleicht zeichnet es sein Schicksal.«
    Ich löste mich von ihm, was ihn leicht zum Schwanken brachte, und drehte mich um. »Glaubst du an Astrologie? Dass unser Schicksal da oben geschrieben steht und Astrologen uns durch Horoskope sagen können, was passieren wird?« Ich wünschte mir, er würde die Frage verneinen, denn für mich war dieser ganze Wahrsage-Kram Quatsch, aber den Gefallen tat er mir nicht. Er legte sich auf den Rücken und schwieg, bis ich seiner wortlosen Bitte nachkam und mich ebenfalls hinlegte, um ins Firmament zu schauen.
    Â»Ich glaube nicht an Horoskope, Tarot oder Hellsehen. Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich zähle nicht zu den Leuten, die bei Astro-TV anrufen. Aber ich glaube an das Schicksal. Daran, dass Dinge aus einem bestimmten Grund geschehen. Alles spricht dafür, oder? Und ich glaube an Sterne, ja. Sie zu beobachten bringt uns dem Himmel nah, ohne dass wir die Füße vom Boden nehmen müssen.« Er deutete auf seine Schulter und mir wurde klar, was die Tätowierung darstellte.
    Â»Du hast dir ein Teleskop tätowieren lassen?«
    Â»Ein Galilei-Fernrohr. Ich wollte etwas, das bleibt. Ein Tattoo hat man für immer. Und ein Fernrohr, das den Himmel mit der Erde verbindet, fand ich passend.« Etwas schien ihn traurig zu stimmen, aber dann räusperte er sich und der Eindruck war verschwunden.
    Â»Ich glaube«, fuhr Marlon fort, während das Firmament immer mehr winzige Sternchen unseren Blicken freigab, »dass einzelne Punkte im Leben feststehen. Wie die Sterne eben. Nichts hält sie, sie schweben frei und bleiben doch auf ihrem Platz, ohne dass du sie verschieben kannst.«
    Ein kaum wahrnehmbares Schaudern ging durch seinen Körper. Ich spürte es dort, wo sich unsere Schultern berührten, und irgendwie, auch wenn ich es nicht erklären konnte, las ich Angst darin. Als wäre diese aus ihm herausgezittert. Um ihm etwas näher zu sein, legte ich meine Handfläche auf seine Brust, ohne den Blick von den Sternen zu nehmen. Es war faszinierend, denn je länger ich hinsah, umso mehr Sterne zeigten sich. Es war, als offenbarten sie sich nur denjenigen, die sie sehen wollten. Als wären sie sich zu schade für oberflächliche Blicke.
    Marlon berührte meinen Handrücken, bevor er fortfuhr. »Fixpunkte stehen, aber schau dir all die Leere dazwischen an. Auf welchen Wegen und in welcher Reihenfolge wir durch unser Leben gehen, bleibt uns überlassen.« Er hob die Hand und wies mit seinem Zeige- und seinem Mittelfinger nach oben, zog Linien von einem Stern zum danebenliegenden. »Wir können kurze, direkte Strecken wählen. Straight forward. Oder wir taumeln im Dunkeln umher, machen Umwege, nehmen auf der Suche nach dem richtigen Weg hundert falsche.« Seine Finger zogen Kreise, Schleifen, Schlenker. Und lagen plötzlich an meinen Lippen. Glitten über meinen Mund, mein Kinn und zogen mein Gesicht sanft in seine Richtung.
    Wenn ich ein Umweg für ihn war, dann war ich eindeutig für diese Umwege. »Was passiert, wenn ein Stern runterfällt?«, flüsterte ich.
    Â»Dann geht einer unserer Fixpunkte verloren. Deshalb müssen wir uns etwas wünschen, wenn das passiert. Damit ein neuer aufleuchtet. Wusstest du nicht, dass jeder aufrichtige Wunsch irgendwo da draußen einen neuen Stern entstehen lässt?«
    Ich schüttelte leicht den Kopf, ohne Marlon aus den Augen zu lassen, und dachte an die letzte Sternschnuppe, die ich wunschlos hatte vorbeiziehen lassen. »Nachdem ich zum ersten Mal hier gewesen bin, habe ich einen Stern fallen sehen und mir nichts gewünscht. Fehlt mir jetzt ein Fixpunkt in meinem Schicksal?« Belustigt zog ich die Augenbrauen hoch, aber Marlon blieb ernst und ließ sich nicht irritieren.
    Â»Nein, du hattest Glück«, antwortete er leise, fast war es ein Flüstern. »Ich habe sie auch gesehen. Und mein Wunsch betraf uns beide.«
    Ich rollte mich auf die Seite, stützte mich auf einen Arm

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