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Himmelskinder

Himmelskinder

Titel: Himmelskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Feldhausen
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Setzte sich und kramte Papier und einen Stift hervor. Wenig später genoss er den Duft seines Zigarillos.
    Gab es Eltern, Geschwister, die sich Sorgen machten? Er war sich nicht sicher. Kinder, um die sich niemand kümmerte, waren keine Seltenheit. Im unablässigen Rauschen der Medien war Achtlosigkeit gegenüber Kindern nur eine von vielen Unmenschlichkeiten und schnell wieder verdrängt von anderen in der endlosen Reihe der Barbareien.
    Er schaute auf die winzigen Ohrringe, die ihm die Schwester von der Intensivstation gegeben hatte, silbern mit einem türkisfarbenen Stern in der Mitte.
    Was wusste er bisher? Er tauchte für wenige Minuten ab, arbeitete die bisherigen Fakten systematisch durch, machte sich Notizen und durchkämmte sein Gedächtnis. Da war doch dieses Kinderbordell in der Keetmanstraße gewesen. Natürlich, 1999! Wie lange hatte es sich damals in der Stadt halten können? – Unfassbare vier Jahre. Nur durch Zufall, im Zuge einer Ermittlung wegen Bandenbildung, waren sie darauf gestoßen und hatten es schließen können. Die Ermittlungsgruppe hatte Tag und Nacht gearbeitet und Unglaubliches geleistet. Besonders Masur, hoch motiviert, hatte sich weit aus dem Fenster gehängt. Sie hatten bereits einige der Freier identifizieren können und waren kurz davor, die Sache abzuschließen. Einer von ihnen hatte jedoch genau über die Beziehung verfügt, die man braucht, um sich aus der Scheiße zu ziehen. Innerhalb kurzer Zeit kam von ganz oben die Order, die Ermittlungen abzuschließen und die Akten an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Ebenso schnell wurde das Hauptverfahren eröffnet. Der Betreiber kam mit einer lächerlichen Strafe davon, die er nicht absitzen musste, weil er vorher verstarb. Die Freier hatten sich nie vor Gericht verantworten müssen. Aus. Schluss. Und Masur hatte bald aufgehört, Fragen zu stellen, weil er immer wieder vor eine Mauer gelaufen war. Seine Wutausbrüche hatten nachgelassen, und der Kämpfer von einst hatte begonnen, seinen Groll mit Alkohol zu betäuben. Alvermann fragte sich, wie viel es brauchte, ihn wieder zu entfachen.
    So war das damals gewesen, und seitdem war es in Karlsbach und Umgebung zu keinen einschlägigen Verbrechen mehr gekommen. Zumindest war nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Hier mussten sie unbedingt wieder ansetzen, sich die alten Akten besorgen, aber mit Umsicht vorgehen. Die Seilschaften von damals bestanden möglicherweise immer noch.
    Dann die übliche Routine, Vermisstenanzeigen durchgehen und für den nächsten Tag ein Foto des Kindes und der Ohrringe in die Zeitungen setzen. Darum sollte sich Masur kümmern.
    Der wird Morgenluft wittern, dachte Alvermann.
    Er rief im Dezernat an. Ellen Neusser, die Sekretärin, meldete sich:
    »Erik, er sieht furchtbar aus! Was soll ich tun?«
    »Sieh zu, dass ihn die van Laack nicht sieht, und verbinde mich mit ihm. Stopf ihn mit Kaffee voll. Und gegessen hat er sicher auch noch nichts.«
    Masur hörte sich an, als hätte er keine Stunde geschlafen. Wahrscheinlich war es wieder so weit. Der letzte Entzug war zwei Jahre her. Wie sicher war er gewesen, nicht mehr rückfällig zu werden. Alvermann äußerte sich hierzu nicht, nicht am Telefon. Es gab andere Dinge zu erledigen. Masur bekam die erforderlichen Anweisungen.
    »Um die Akten aus neunundneunzig kümmere ich mich, verstanden? Lass die Finger davon, Masur!«, und dann:
    »Wir sprechen uns noch.«

14
    Während Alvermann unterwegs zu dem Jungen war, klingelte sein Handy. Meiners meldete sich:
    »Chef, auf den ersten Blick nichts Ergiebiges. Die Technik braucht noch Zeit – wie immer: Vor morgen ist nichts drin. Na, wir werden sehen. Ich gehe jetzt mit zwei Kollegen von Haus zu Haus. Da kommen übrigens gerade die Hundeführer. Vielleicht haben die mehr Glück. Markowski glaubt jetzt, dass das Mädchen möglicherweise russisch gesprochen hat, sicher ist er sich aber nicht. Dann noch: Der Junge soll Oliver heißen. Und du, weitergekommen?«
    »Nach wie vor fraglich, ob sie überlebt. Ansonsten nichts, bis auf ein Paar Ohrringe. Masur kümmert sich um Presse und Vermisstenanzeigen. Spreche jetzt noch mit dem Jungen.«
    »Ja. Wenn ich was habe, melde ich mich!«
    Die Kinderstation lag im obersten Stock, und Alvermann benutzte die Treppe. Auf den letzten Stufen meldete sich wieder der mysteriöse Schmerz über dem linken Ohr und breitete sich langsam in seinem Kopf aus. Vom Herd des Schmerzes ging ein Pochen aus.
    Was ist da jetzt, will jemand raus? Ich

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