Himmelskrieg: Roman (German Edition)
Lebensjahre, all ihre Träume, Hoffnungen, Fantasien, Leistungen, Enttäuschungen, alles, was sie besaß, alles, was sie je gehört und gesehen hatte, reduzierten sich auf ein einziges Wort.
Lauf!
Sie war schnell, nicht zuletzt dadurch, dass sie Fußball spielte. Und wenn sie ausgeruht und satt war, konnte sie schneller rennen als die meisten Mädchen ihres Alters. War sie auch schneller als Long Legs?
War sie schneller als eines der anderen möglichen Opfer? Sogar schneller als Cowboy?
Sie wusste es nicht. Sie hätte ohnehin nichts ändern können.
Sie konnte nur rennen!
Yvonne war so etwas wie ein einheimischer Guide. Sie hatte die Gruppe die Treppe hinunter und aus dem Museum für Verlorene Aliens herausgelotst. Dann ging es quer durch die »Stadt« in Richtung der hinteren Seite des Habitats. Rachel hatte sich gewundert, warum sie dieses Tempo vorlegte. Selbst Cowboy schien keine Lust zu haben, mit Yvonne mitzuhalten. Alle paar Meter hörte der Hund auf zu rennen und setzte sich hin.
»Was war das für ein Ding?«, hatte Pav gefragt, während er so schnell marschierte, wie er konnte, und sich dabei ständig über die Schulter sah. Am liebsten hätte Rachel ihn gepackt und ihn angeschrien: Lau f !
»Long Legs«, hatte Yvonne geantwortet. »Aber der Name … immer, wenn ich daran denke, bekomme ich Angst. Und außerdem wird mir schlecht.«
»Wir dachten uns schon, dass das Ding nicht besonders freundlich ist«, hatte Zhao gesagt.
»Was will es von uns?«, wollte Pav wissen. »Aliens fressen doch wohl keine Menschen.«
»Das tun sie auch nicht«, sagte Yvonne. »Vielleicht will es etwas, das wir bei uns haben. Wasser. Energie. Materie.«
»Aber jetzt ist es doch tot, oder?«, hatte Rachel gefragt. »Könnten wir nicht ein bisschen langsamer laufen?«
Yvonne blickte sie mitleidig an. »Ach, Mädchen, das Ding ist keinesfalls tot. Wahrscheinlich hat es sich schon wieder zusammengesetzt.«
»Was für einen Blödsinn faseln Sie da?«, regte sich Zhao auf. »Es fiel von einem dreistöckigen Gebäude!«
»Es ist … teilweise eine Maschine. Es kann … sich selbst reassemblieren.«
»Sie bringen uns also nicht an einen sicheren Ort«, hatte Rachel gesagt. »Sie …«
»Ich sorge dafür, dass wir so schnell wie möglich von dem Long Legs wegkommen.«
In diesem Moment hörten sie Cowboy jämmerlich jaulen. »Was ist los?«, hatte Pav gefragt.
Als Rachel in die Runde blickte, konnte sie keine offensichtliche Bedrohung erkennen … aber wegen der vielen Gebäude hatte sie keine freie Sicht.
»Da oben«, sagte Zhao und reckte den Zeigefinger in die Höhe.
Der Long Legs, dessen oberer Torso immer noch nicht voll ständig zusammengesetzt war, war anscheinend auf die Spitze eines Bauwerks gesprungen, das sich keine fünfzig Meter hinter ihnen auftürmte.
»Weglaufen!«, brüllte Yvonne.
Danach bestand ihre Welt nur noch aus Keuchen, Seitenstechen, Hakenschlagen, jähen Sprints auf abschüssigen Wegen, d ie wie Sackgassen erschienen, jedoch schmale Durchgänge hatten. Sie flitzten über offene Plätze und wären einige Male um ein Haar in große Pfützen aus farbigem Glibber gestürzt.
Nach wenigen Minuten hechelte Zhao: »Wir können nicht ewig so weiterrennen. Wir müssen das Ding töten.«
»Mit unseren bloßen Händen?«, spottete Pav.
»Nein«, sagte Zhao. »Wir brauchen eine Waffe. Eine Pistole.«
Rachel glaubte nicht, dass man mit einer Pistole viel gegen den Long Legs würde ausrichten können.
»Nein!«, sagte Yvonne. Sie blieb stehen. Alle folgten ihrem Beispiel, sogar der Hund. Yvonne hatte einen wilden Ausdruck an sich, und sie schien verwirrt. »Ich meinte, nein, wir töten das Ding nicht mit bloßen Händen, aber wir brauchen auch keine Waffe. Dieses Ding ist … es wird durch ein elektrisches Feld zusammengehalten und assembliert. Wenn wir das Feld überlasten, töten wir das Ding.« Yvonne schloss die Augen, wie ein Kandidat in einer Spieleshow, der versucht, sich an eine simple Tatsache zu erinnern. »Es gibt … mein Gott, mir fällt nicht das richtige Wort ein … Duplikatoren?«
»Teller?«, half Rachel aus.
»Ja!« Der Duplizierungsprozess erfordert riesige Mengen an Energie, und diese Teller kann man mit … Datenknoten vergleichen. Wir müssen einen Teller finden.« Als die anderen sie anstarrten und auf mehr Informationen warteten, sagte sie: »Dann können wir das Scheusal mit einem Stromschlag töten.«
»Und wir müssen den Ein-Schalter finden«, bemerkte Zhao.
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