Himmelspfade - Engel weisen uns den Weg
sie genau neben mir, und wir schauten einander in die Augen.
»Kannst du dich noch erinnern, was du gespürt hast, als du noch ein kleines Mädchen warst und ich dich mein Leben habe fühlen lassen, Lorna?«, fragte sie. »Ich weiß, du hast viel davon abgeblockt. Ich werde jetzt reden, und ich werde dich dabei noch einmal fühlen lassen, was du damals gespürt hast, als du noch ein kleines Mädchen warst. Ich werde dabei so sanft wie möglich vorgehen.« Ich bekam wieder Angst, als Marie das sagte, und ich vermute, dass sie es bemerkte, denn sie legte ihre Hand auf meine, und mit einem Mal wurde ich ganz ruhig. Sie zeigte mir eine Vision der weiteren Ereignisse.
Marie ging am Fluss entlang durch baumbewachsenes Gelände. Es war dunkel, und nur ganz wenig Sonnenlicht drang durch die Bäume hindurch, die zu beiden Seiten des Weges standen. Der Boden war nass und matschig. Als sie die Männer sah, dachte sie sich nichts weiter dabei. Sie waren zu viert, vier Nachbarn, die sie kannte. Aber dann packte einer sie und begann ihr zu drohen. Er sagte, sie müsse verschwinden, sie wollten sie nicht länger in der Gegend haben, und wenn sie nicht ginge, dann würden sie sie zusammenschlagen. Dabei stießen und traten sie sie. Marie spürte große Angst in sich aufsteigen. Sie kämpfte mit aller Kraft und versuchte verzweifelt, sich zu wehren. Ich konnte die ganze Angst spüren, die in ihr aufstieg. Es war, als wäre ich in ihr und könnte ihr auf geistige Weise helfen. Ich war in ihr, obwohl ich zu der Zeit noch nicht geboren war! Irgendwie war ich dort – irgendwie war der Zeitunterschied überbrückt worden. Ich konnte spüren, wie sie mit aller Kraft kämpfte. Ich konnte spüren, wie sie verzweifelt versuchte, sich zu wehren. Ich konnte jeden Tritt spüren, der sie traf. Sie war von Kopf bis Fuß voller Matsch und klatschnass von dem Wasser unter ihr. Immer weiter traten die Männer auf sie ein, und sie rollte sich zu einer Kugel zusammen. Dann packte einer der Männer sie bei den Haaren und schleifte sie mit sich, während zwei andere mit Stöcken auf sie einschlugen, die sie von Ästen abgerissen hatten. Ich sehe es immer noch vor mir, wie die Männer so mit ihr durch den Wald liefen und wie Marie ihre Arme schützend über ihren Kopf hielt.
Der Mann, der sie bei den Haaren gepackt hatte, war der Geist, den ich an meiner Haustür in Johnstown gesehen hatte. Dieser Geist war der Urur-, ich weiß nicht, wie viele Male »Ur«-Großvater des Mannes, der mit seiner Frau zu mir gekommen war, um Hilfe zu suchen.
Marie tat ihr Bestes, um sich freizukämpfen. Sie rang um ihr Leben. Sie war zwar zierlich, aber ihr Lebenswille war ausgesprochen stark. Sie dachte an Edward und rief seinen Namen, und sie dachte an ihr Baby.
Ich sehe diesen Mann immer noch vor mir. Er muss etwa 50 Jahre alt gewesen sein. Er hielt sie an den Haaren. Schließlich ließ er ihren geschundenen Körper los, und sie fiel zu Boden. Über den Zeitunterschied hinweg konnte ich ihr sagen, dass ihr Kind, ihr Baby tot war. Ich weiß, dass das schwer zu verstehen ist. Sie hörte mich klar und deutlich. Sie wusste es nun und hörte auf, um ihr Leben zu kämpfen. Sie musste nicht länger leiden als unbedingt nötig. Sie ließ los. Ich weiß, dass Marie an der Stelle starb, an der sie hingefallen war. Ich sehe Maries toten Körper immer noch vor mir. Ich sehe sie vor mir, während ich dies dem Spracherkennungsprogramm meines Computers diktiere. Sie war über und über mit Matsch und Blut verschmiert. Ich sehe ihren Schutzengel, der sich am Boden um sie schlingt. Ich sehe Flügel, nicht die vollständigen Flügel, sondern nur einen Teil davon. Die Federn sind matschig. Engel waren zugegen, als dies geschah, aber sie hatten nicht die Kraft, es zu verhindern. Ich sah den Schrecken in den Gesichtern der Männer, als sie innehielten und erkannten, was sie getan hatten. Marie sagte mir, es sei ein Unfall gewesen. Die Männer hätten sie nicht umbringen, sondern ihr nur Angst einjagen wollen, aber dann hätten sie jegliche Kontrolle verloren. Dennoch ging einer der Männer noch einmal zu ihr und verpasste ihr noch ein paar Tritte, als ob er sichergehen wolle. Dann liefen sie einfach davon.
Ich saß in meinem Bett in Leixlip. Maries Hand glitt aus meiner heraus, ich ließ mich wieder in die Kissen fallen und schloss einen Moment lang die Augen. Dann ging Marie auf das Fenster zu und verschwand.
Kapitel 19
Ich erzähle Joe und meinem Vater von den Geistern
Joe und ich
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