Himmelsschwingen
Ahnung, wer ihm da ins Netz gegangen ist, dachte Iris. Ansonsten lägen die Wechsel garantiert längst auf dem Tisch eines wirklich wichtigen Vertreters Abbadons, wenn nicht sogar beim Lichtbringer selbst.
»Nimm ihn ruhig mit, deinen kleinen Freund«, sagte Quaid herablassend. »Morgen sitzt er wieder am Tresen. Mit Manna brauchst du dem nicht mehr zu kommen, der ist längst süchtig nach unserem Lebenswasser .« Dabei tippte er auf die Whiskeyflasche, die aus dem Nichts in seiner Hand erschien. »Noch einen Schluck für unterwegs?«
Iris zeigte ihm beide Mittelfinger, bevor sie Samjiel hinaus auf die Straße zerrte, wo er einfach in sich zusammensackte und liegen blieb. Die Passanten störte das nicht, sie schlugen einen Bogen um den Leblosen und sparten nicht mit anzüglichen Kommentaren.
Ein Glück, dass sie deutlich kräftiger war, als man es beim Anblick ihrer schlanken Gestalt vermutet hätte. Und es gab auch noch nette Menschen. Ein junger Mann erbarmte sich und half ihr, Samjiel auf eine Bank am Rand des nahe gelegenen Parks zu setzen. »Ist das nicht zu gefährlich?«, fragte er besorgt und sah den menschenleeren Weg hinunter. »Soll ich Ihnen nicht lieber ein Taxi rufen?«
»Vielen Dank, aber meinem Freund wird im Auto schlecht. Die Fahrer können da ganz schön fies werden.« Mit einem himmelwärts gewendeten Blick deutete sie einen gewissen Erfahrungsschatz in diesem Bereich an. »Gleich ist er wieder okay.« Schnell schob sie einen zusätz lichen mentalen Stups hinterher, um sicher zu sein, dass der freundliche Helfer sie allein ließ.
»Oh, in Ordnung!« Damit drehte er sich wie gewünscht um und hatte die Angelegenheit schon nach wenigen Schritten vergessen.
Iris sandte ihm einen Segen nach und wandte sich dann ihrem Freund zu. Mühelos nahm sie Samjiel, der mindestens einen Kopf größer war, in die Arme, hüllte sich mit ihrer Last in den Schleier der Unsichtbarkeit und flog zu ihrer Unterkunft. Die Wohnung besaß einen Balkon, der groß genug war, um zu zweit auf ihm zu landen. Von dort aus gelangten sie problemlos hinein. Die Zim mer waren zwar recht klein, aber mit den wichtigsten Din gen ausgestattet, die der jeweilig dort residierende Wächter während seines Aufenthalts benötigte. In ihrem Fall handelte es sich um einen bestens gefüllten Kühlschrank und eine ausreichen de Menge frischer Handtücher. Ihre Klamotten besorgte sie sich lieber selbst. Der himmlische Service war für ihren Geschmack eindeutig zu konservativ und hey – Unterwäsche kaufte sich eine unabhängige Frau immer noch allein!
Nachdem sie Samjiel, der inzwischen wieder stehen konnte, durch die Balkontür geschoben hatte, wies sie ihn an: »Rühr dich nicht vom Fleck!«, und schloss sorgfältig alle Rollos.
Als sie sich umdrehte, war er verschwunden. »Sam?«
Im Schlafzimmer hörte sie ein seltsames Geräusch und lief sofort hinüber, um nachzusehen. Was sie erwartete, übertraf ihre verwegensten Vorstellungen. Samjiel hatte sich von den irdischen Hüllen befreit und lag nun, wie die Schöpfung ihn mit großer Leidenschaft fürs Detail geformt hatte, bäuchlings und lang ausgestreckt da.
Engel schliefen, sofern sie das überhaupt taten, vor zugsweise auf dem Bauch, und Samjiel bildete keine Ausnahme. Neben ihm türmten sich Brustpanzer und alles, was himmlische Krieger sonst noch trugen, auf. Wirklich alles.
Nun konnte man nicht behaupten, sie hätte niemals zuvor einen unbekleideten männlichen Körper gesehen. Im Gegenteil, Kleidung war eine eher neuere Erfindung und ihr persönlich häufig sogar sehr lästig. Aber dies war etwas anderes. Samjiel lag in ihrem Bett! Neugierig und sonderbar verlegen schlich sie näher, und was sie sah, beschleunigte unwillkürlich ihren Atem.
Wie es wohl sein würde, diesen formvollendeten Hintern zu berühren? Bevor der wollüstige Gedanke überhaupt beendet war, hatte sie bereits die Hand nach ihm ausgestreckt. Ein albernes Kichern wuchs in ihrer Kehle. Sollte sie es wagen?
Samjiel gab einen Laut von sich, der in ihren Ohren wie eine Einladung klang.
Als er gleich darauf hustete, zog sie sich hastig einige Schritte zurück. Dabei beobachtete sie genau, wie er den linken Flügel ausstreckte. Der andere hing, nur halb gefaltet, über die Bettkante. Also gut, einmal hinsehen ist doch bestimmt nicht verboten? , raunte die Versuchung ihr zu.
Seine Haut sah aus, als hätte die Sonne selbst ihn geküsst, viel dunkler als ihre, beinahe golden und makellos, was eine attraktive
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