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Himmelsschwingen

Himmelsschwingen

Titel: Himmelsschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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herab, bis sein Mund nahe genug an ihrem Ohr war, dass die Ohrringe leise ge geneinanderschlugen, als die Lippen dagegenstießen. »Zeige mir, wie es ist, geliebt zu werden.«
    Das wärmende Nest aus Engelsfedern zu verlassen, in dem sie an Samjiels Schulter geschmiegt gelegen hatte, bis sie sicher sein konnte, dass er wirklich schlief, kostete Iris mehr Überwindung, als sie es jemals für möglich gehalten hätte. Beiläufig streifte sie ein T-Shirt über, griff nach ihrer Jeans und verließ das Zimmer, ohne zurückzusehen. In der Tür drehte sie sich dann aber doch noch einmal um und lauschte. Regungslos lag er da und hatte wahrscheinlich noch nie so jung ausgesehen wie in diesem Moment, und auch nicht so verletzlich.
    Doch Iris hielt es selten lange an einem Ort oder in Gesellschaft anderer aus. Heute kam eine nie gekannte Unsicherheit hinzu, und deshalb floh sie regelrecht hinauf auf das Dach. Raus, nur raus an die Luft und unter freien Himmel.
    Wobei frei bestimmt nicht die richtige Bezeichnung für die Welt jenseits des Horizonts war, denn Regeln gab es dort jede Menge. Vielleicht für sie etwas weniger als für Samjiel, aber die wichtigste hätten sie beinahe gebrochen, und das hätte sie sich niemals verziehen.
    Wann war dieser Job eigentlich aus dem Ruder gelaufen? Wahrscheinlich schon, als er traurig auf dem Kreuz gehockt hatte. Oder in der Bar. Verzweifelt, betrunken – man stelle sich das nur vor: ein betrunkener General, Stellvertreter und rechte Hand des Erzengels Michael!
    Im Grunde war es ja gleichgültig, und vielleicht lag es einfach nur an den stets kryptischen Anweisungen, die sie von Nephthys erhielt, sobald sie die Erde erreichte. Zwei Namen hatten in geschwungener Schrift auf dem sorgfältig gefalteten Blatt Papier gestanden, das sie zusammen mit dem Wohnungsschlüssel und einer Geldbörse kurz nach der Ankunft entdeckt hatte: Miljena, und in Klammern dahinter: Sam. Mit Ausrufezeichen.
    Miljena sagte ihr erst einmal nichts, bis sie sich plötzlich an die Gerüchte erinnerte, die von einer fruchtbaren Verbindung zweier Engel sprachen und von einer Blume des Himmels , die daraus erblüht sein sollte. Ihre Kontakte – Gefallene, die sie in fast jeder Stadt kannte – bestätigten, dass es hier ein Mädchen gleichen Namens gab, das mit der Mutter zusammenlebte. Von einem Vater wusste man nichts zu berichten, doch das war nicht notwendig, denn dessen Schicksal kannte Iris. Er war schon vor einiger Zeit einem trickreichen Gerechten ins Messer gelaufen. Es dauerte nicht lange, und sie hatte sich ein Bild von ihr gemacht. Eine talentierte Balletttänzerin, die kaum etwas von sich preisgab. Stets angespannt, selten lachend, aber unendlich zärtlich, wenn es darum ging, einem Straßenkind von dem Wenigen zuzustecken, das sie selbst besaß. Wagemutig und immer wütend entschlossen, die Ihren und ihr Geheimnis zu bewahren. Sie trug das Engelsfeuer in sich und hatte es irgendwie geschafft, diese zerstörerische wie heilende Kraft zu beherrschen. Iris mochte sie sofort.
    Diesen Sam ausfindig zu machen, war schon schwieriger. Eine Samantha und einen Samuel konnte sie recht rasch aussortieren, danach verging kostbare Zeit, bevor sie darauf kam, unter den Engeln nach ihm zu suchen. Wer hätte auch damit gerechnet, dass der General selbst gekommen war, um Miljena und ihre Mutter zu töten? Hätte er nicht gezögert, ausgesprochen lange gezögert, seinen Plan in die Tat umzusetzen, Iris hätte das Unrecht nicht verhindern können. Das ärgerte sie zwar insgeheim, aber andererseits hatte sie es längst aufgegeben, die Vorsehung zu hinterfragen.
    Nun, vielleicht hatte sie es nicht ganz aufgegeben, denn jetzt, da sie auf dem Dach ihres Hauses saß und die letzten Tage Revue passieren ließ, hätte sie zu gern gewusst, warum es ausgerechnet jemandem wie Samjiel gelungen war, ihr Herz zu berühren. Und nicht nur das Herz.
    Unwillkürlich musste sie lachen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann ein Kuss ihr Inneres mehr aufgewühlt hätte als der Genuss eines Himbeertörtchens. Beiden Köstlichkeiten, sofern nett präsentiert, konnte sie kaum widerstehen. Wobei Himbeertörtchen nach langen Monaten ohne Nahrung – Engel konnten, aber mussten nicht essen – schlimmstenfalls zu kurzzeitigen Magenverstimmungen führten, während alles, was über das Küssen hinausging, auf eine persönliche Audienz beim Höllenfürsten hinauslief.
    Im Grunde herrschte da draußen das pure Chaos, und jeder musste zusehen, wie es ihm

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