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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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verstohlenes Funkeln zeigte sich kurz in Souhefs Blick. »Ein Volk aus der Schrift«, sagte er.
    »Danke, Imam«, antwortete Nathan.
    »Wir alle stammen von Ibrahim ab«, fuhr Souhef fort. »Unsere jüdischen Brüder von Isaak, Muslime von Ismail …«
    Nathan sah zu mir.
    »Sie kennen den Koran, Bruder, oder?«, fragte Souhef.
    »Ja, Imam. Ich beschäftige mich damit.«
    »Allahs größtes Wunder.«
    »In der Tat.«
    »Die Wirklichkeit, wie man sie wahrer nicht beschreiben kann«, fügte Souhef in reichlich imposantem Ton hinzu. »Das große Lied der Atome und Moleküle, die Allahs Lobgesänge verkünden.«
    »Sphärenmusik«, beeilte sich Nathan anzufügen.
    Vater rollte mit den Augen.
    Lächelnd nickte Souhef und warf die Zigarettenkippe auf die Treppe. Es schien, als wollte er bereits hineingehen, aber dann zögerte er. Ein hagerer Mann im aschgrauen Anzug kam von den geparkten Autos auf uns zu. Es war Ghaleb Chatha. Ich hatte ihn seit dem Dezemberabend zwei Jahre zuvor, als er den Fluch der Juden erläutert hatte, nicht mehr gesehen. Er hatte sich verändert: Sein Bart war jetzt dicht und voll und bedeckte den größten Teil seines pockennarbigen Gesichts, und die grauen, leblosen Augen waren größer, als ich sie in Erinnerung hatte.
    »Bruder Chatha«, begrüßte Souhef ihn wohlwollend. Chatha blieb neben Vater stehen, schloss die Augen und neigte vor dem Imam bedächtig den Kopf. Dann wandte er sich Vater zu und wiederholte die Geste, allerdings mit erkennbar weniger Herzlichkeit.
    »Naveed, schön, dich hier zu sehen.«
    »Ebenfalls, Ghaleb«, erwiderte Vater wenig überzeugend.
    »Wem haben wir diese Ehre zu verdanken?«, fragte Chatha. Ein Anflug von Spott lag in seinem Ton.
    »Meinem Freund«, antwortete Vater und drehte sich zu Nathan hin.
    »Ich bin Nathan. Nathan Wolfsohn, ein Kollege und Freund von Naveed.«
    »Ghaleb Chatha, schön, Sie kennenzulernen.« Chatha begrüßte Nathan, wie er auch die anderen begrüßt hatte, indem er eine Hand ans Herz legte und leicht die Augen schloss.
    »Bruder Chatha«, begann Souhef, »Nathan ist heute hier bei uns, weil er sich mit dem Gedanken trägt, zu unserem Glauben überzutreten.«
    Ein überraschtes Lächeln erhellte Chathas ausdruckslose Miene. Er wandte sich an Vater. »Gute Arbeit, Naveed«, sagte er beeindruckt.
    »Ich hatte damit nichts zu tun. Wenn es nach mir ginge …«
    Nathan ließ Vater einen scharfen Blick zukommen. Vater verstummte.
    »Ich höre«, sagte Chatha. »Wenn es nach dir ginge …«
    »Na … dann wären wir jetzt irgendwo beim Angeln …«
    Chatha hatte seine Überraschung bereits überwunden und wieder seine ausdruckslose Miene aufgesetzt. »Dann war es Allahs Wille, dass es heute nicht nach dir gegangen ist. Und dafür hast du deinem Freund zu danken …« Chatha sah zu Nathan und lächelte. »Willkommen«, sagte er.
    Wie Chatha legte nun auch Nathan die Hand ans Herz und schloss die Augen.
    Chatha bemerkte, dass ich ihn anstarrte, er sah zu mir, lächelte und entblößte dabei seine kleinen Zähne. »Es freut mich, den Jungen hier zu sehen«, sagte er zu Vater.
    Diesmal erwiderte Vater nichts darauf.
    »Egal, was du glaubst«, fuhr Chatha fort, »es ist ja so wichtig, dem Jungen unsere Lebensart nahezubringen.«
    Erneut ging mein Vater nicht darauf ein. Weitere Männer, etwa ein halbes Dutzend, kamen auf uns zu, murmelten ihr Salam , als sie die Treppe hinaufstiegen, und sahen neugierig zu Nathan.
    »Wenn ihr mich nun entschuldigen wollt, Brüder«, sagte Souhef. »Ich muss mich noch um die Lautsprecheranlage kümmern, damit sie für die Chutbah auch funktioniert.«
    Nathan verbeugte sich unsicher.
    »Ich komme mit, Imam«, sagte Chatha. »Ich muss noch meine Wudu vollziehen.«
    Die beiden Männer gingen die Stufen hinauf, wobei Souhef mit einer Anmut ausschritt, die seinem Körperumfang Lügen strafte. Oben öffnete ihm Chatha die Tür. Souhef verschwand im Gebäude, Chatha folgte. Nachdem sie fort waren, drehte sich ein lächelnder Nathan zu Vater um.
    »Ich weiß nicht, worüber du so glücklich ist«, grummelte Vater.
    »Der Imam. Er ist so souverän. Und so freundlich. Nicht wie der andere.«
    »Der eine ist keinen Deut besser als der andere«, erwiderte Vater. »Und dass Souhef freundlich ist …«
    »Er war freundlich zu mir …«
    »Sagen wir mal, er ist clever. Du hast ja keine Ahnung, was es für ihn heißt, wenn er es schaffen sollte, dich zum Übertritt zu bewegen. Dieser Chatha wird ihm dann eine Unmenge Geld in den

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