Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Nathan einen spielerischen Klaps. »Ich weiß beim besten Willen nicht, was du hier verloren hast …«
    Nathan schüttelte den Kopf und öffnete die Beifahrertür, zögerte aber, bevor er ausstieg. »Naveed, ich muss bei diesen Leuten einen guten Eindruck hinterlassen. Wahrscheinlich werde ich diesen Typen noch brauchen …«
    Vater winkte nur ab. »Keine Sorge. Ich werde mich von meiner besten Seite zeigen …«
    »Danke.«
    »Nur beschwer dich hinterher nicht, wenn er dir mit seinen Beratungshonoraren und Gebühren das Fell über die Ohren zieht.«
    »Gebühren? Wofür?«
    »Für deinen Übertritt. Für dieses, für jenes. Und weiß Gott wofür noch alles.«
    Souhef auf den Eingangsstufen beobachtete uns, als wir uns näherten. Er bot einen wahrlich beeindruckenden Anblick: Das schimmernde Seidengewand, das seine mächtige Leibesfülle umwallte und umflatterte, füllte er voll und ganz aus; sein ungewöhnlich langer, grau-schwarzer und spitz zulaufender Vollbart wiegte sich in der sengenden Augustbrise, und in der Mittagssonne schimmerte auf seinem Schädel die weiße Gebetskappe wie ein Solarpanel. Vater kannte Souhef seit Langem – die beiden hatten zu den Ersten von uns gehört, die in die Gegend gezogen waren –, und im Lauf der Jahre hatte ich so einiges über den Mann zu hören bekommen. Mutter ihrerseits nahm nichts ernst, was Vater über Souhef erzählte. Es war ihr schleierhaft, wie Vater überhaupt auf die Idee kommen konnte, sich ein Urteil über einen Imam zu erlauben. Schließlich war es bei jemandem, der trank und seine Frau betrog, mit der Glaubwürdigkeit nicht weit her, wie sie gern sagte. Und was meine Gefühle gegenüber Souhef anbelangte: Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen ich ihm begegnet war, hatte ich mich immer zu ihm hingezogen gefühlt. Er hatte etwas Gebieterisches an sich, und obwohl einem bei seinen von religiöser Leidenschaft getragenen Predigten angst und bange werden konnte, strahlte er auch immer eine herzliche Wärme aus. Viele Muslime in unserer Gemeinde betrachteten Souhef als ihren guten Engel. Er wachte über Geburten, Eheschließungen und Beerdigungen, kam in geistig-moralischen Krisensituationen oder bei Ehekonflikten zu mitternächtlichen Hausbesuchen und setzte sich sogar bei den örtlichen Behörden ein, wenn es um Nichtigkeiten wie den muslimischen Jungen ging, der vom Sportunterricht ausgeschlossen wurde, weil er sich geweigert hatte, in der Umkleide und im Beisein seiner Klassenkameraden zu duschen.
    Obwohl sich Souhef also hingebungsvoll für unsere Gemeinde einsetzte, mochte Vater ihn nicht. Er räumte ein, dass sich Souhef durchaus verpflichtet fühlte, aber nur seinem Geldbeutel gegenüber, wie Vater gern sagte. Als Beweis dafür erzählte er, wie er zehn Jahre zuvor – das Islamische Zentrum war damals nichts weiter als eine auf einem Zettel hingekritzelte Idee – zum ersten Mal von Souhef darauf angesprochen worden war. Souhef bat Vater um eine Spende. Vater weigerte sich. Einige Monate später bat Souhef erneut um Geld, diesmal sagte er aber, es wäre für einen palästinensischen Immigranten bestimmt, der sich in einer Notlage befand. Souhef erzählte von einem Mann, der der Folter durch die Israelis entkommen sei und nun um seine Aufenthaltsgenehmigung in den USA kämpfen müsse. Vater war aufrichtig berührt und zückte sein Scheckbuch.
    »Auf welchen Namen soll ich den Scheck ausstellen?«
    »Auf meinen«, erwiderte Souhef.
    »Ihren?«
    »Bruder Shah, zweifeln Sie nicht an mir. Er ist ein armer Mann. Er kennt sich mit Schecks und solchen Dingen nicht aus. Er wird das Geld bekommen. Allah ist mein Zeuge.«
    Trotz seiner Skepsis schrieb Vater einen Scheck über tausend Dollar aus.
    In den folgenden Wochen und Monaten erkundigte sich Vater bei Souhef nach Neuigkeiten über den Palästinenser. Es erstaunte ihn, von ihm nichts gehört zu haben, kein Anruf, um sich bei ihm zu bedanken, kein Schreiben. Souhef antwortete jedesmal ausweichend. Eines Tages aber erzählte er Vater, dass der Palästinenser von der Einwanderungsbehörde aufgegriffen und ausgewiesen worden sei. Für Vater war das Bestätigung genug: Er hatte längst gemutmaßt, dass der Palästinenser nur Souhefs Vorwand gewesen war, um an Vaters Geld zu kommen. Von diesen Tag an wollte Vater mit ihm nichts mehr zu tun zu haben.
    »Wie geht es den Gehirnen, Doktor?«, fragte Souhef, als wir uns den Stufen der Moschee näherten. Er stand über uns, die Zigarette zwischen den Lippen, und sein

Weitere Kostenlose Bücher