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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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unheilig war.
    »Imran«, fuhr ich ernst fort, »wenn ich sage, Juden sind die, die Allah am meisten hasst, dann meine ich das so. Beim Jüngsten Gericht, am Ende aller Zeiten, wird die Sonne aufgehen, und sie wird sooo groß sein …« Ich zeigte auf das Zeltdach über uns. »An diesem Tag wird Allah mit jedem einzelnen Menschen reden und ihn fragen, was er in seinem Leben Gutes und was er in seinem Leben Schlechtes getan hat … und die Menschen, die mehr Schlechtes getan haben, werden links von Allah stehen, und« – ich streckte meine Zunge heraus – »es wird eine riesige Zunge kommen und diese bösen Menschen in die Hölle hinunterziehen. Und weißt du, wer die Ersten sein werden, die in die Hölle hinuntergezogen werden?«
    Imran schüttelte den Kopf.
    »Die Juden«, sagte ich bestimmt. »Die Juden sind die Ersten, die ins Feuer gehen. Du weißt doch noch, als deine Mom uns von der Hölle erzählt hat, oder? Vom Feuer … in dem die schlechten Menschen ewig brennen …?«
    Imran nickte. Tränen traten ihm in die Augen.
    »Du musst nicht weinen«, sagte ich. »Es gibt keinen Grund zum Weinen. Du hast nichts zu befürchten. Du bist ein Muslim, und wenn du dein Namaz lernst und dein heiliges Buch, kommst du nie in die Hölle. Hörst du? Du wirst von dieser Zunge nicht in die Hölle gezogen. Wenn du ein Muslim bist, passiert dir nichts.«
    Tränen kullerten ihm über die Wangen. »Aber ich will Nathan nicht zum Dad«, jammerte er.
    »Wenn du brav bist und zu Allah betest, erhört er dich vielleicht …«
    »Wirklich?«
    »Vielleicht«, sagte ich ungerührt, »vielleicht auch nicht.«
    Am nächsten Morgen, als ich auf dem Boden aufwachte, taten mir alle Knochen weh. Es roch nach Ghee, ich hörte Geräusche in der Küche. Es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder daran erinnerte, dass ich beim Einschlafen den weinenden Imran in den Armen gehalten hatte. Jetzt war er fort.
    Unten stand Mutter am Herd. Überrascht stellte sie fest, dass ich noch die Sachen vom Vortag trug. »Hast du dich nicht umgezogen?«, fragte sie. Ich erzählte von der Burg, die ich gebaut und in der ich mit Imran eingeschlafen war. »Was bin ich nur für eine schlechte Mutter«, sagte sie. »Ich habe noch nicht mal mehr nachgesehen. Schämen sollte ich mich.«
    Ich setzte mich an den Küchentisch und machte mich über einen Teller mit frischemParatha her. Mutter stand neben mir und sah mir beim Essen zu. Sie schien wütend zu sein.
    »Mom? Alles in Ordnung?«, fragte ich kauend.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Man sollte doch meinen, dass gestern Abend ein Abend gewesen ist, an dem er zu Hause bleiben würde. Nach allem, was geschehen ist. Das sollte man doch meinen, oder? Dass seine Anwesenheit vonnöten wäre? Seine Unterstützung ?« Sie drehte sich weg und schien mit den Tränen zu ringen. »Aber wer das meint, der liegt falsch! Er bekommt einen Anruf, und schon ist er auf und davon. Jagt weißem Fleisch hinterher. Man könnte doch meinen, einen Abend könnte er mal verzichten ? Zu Hause ist eine Krise ausgebrochen? Also bleibt man bei seiner Familie? Nein! Natürlich nicht! Nein, als Erstes muss er sich mit einer Prostituierten davonmachen! Ist das normal?«
    Ich hatte den Kopf gesenkt und vermied es, ihr in die Augen zu sehen.
    »Hayat!«, blaffte sie.
    »Hmm?«
    »Ist es so verkehrt, wenn ich das nicht für normal halte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich. Und dann fügte ich noch hinzu: »Er ist krank.«
    » Kurban , du weißt ja noch nicht einmal die Hälfte von allem, was geschehen ist«, sagte sie und glitt auf den Stuhl neben mir. »Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war er immer noch verschwunden. Er ist noch nicht mal nach Hause gekommen . Wer weiß, was ihm zugestoßen ist? Vielleicht ist er tot, wer weiß? Also habe ich im Krankenhaus angerufen. Ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich es bin. Ich habe ihn anpiepen lassen. Nach zehn Minuten kommt er endlich ans Telefon. Als er merkt, dass ich es bin, brüllt er mich an! Vor sein eigenen Mitarbeitern! Das ist doch der Gipfel der Unanständigkeit. Nicht nur zieht er mit Frauen herum, wenn ihn seine Familie am nötigsten hat – nein, er brüllt seiner Frau vor allen Kollegen auch noch Unanständigkeiten ins Ohr, wenn sie ihn anruft, weil sie wissen möchte, ob er noch am Leben ist! Du hättest hören sollen, was er alles gesagt hat! Was für einBarbar!«
    In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
    Ängstlich sah Mutter zum roten Hörer. »Das ist er wahrscheinlich.

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