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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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überrascht zu sein. »Wer sind Sie?«, fragte ich.
    Sie antwortete nicht. Sie sah mich nur mit ihren großen hellbraunen Augen an. Sie hatte blonde Haare unter ihrer Schwesternhaube, ihre dünnen Lippen waren knallrot geschminkt. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, warum, wusste ich nicht.
    Sie fuhr sich über die Augenbrauen. Ihre Fingernägel waren ebenso rot wie ihre Lippen.
    »Du hast schöne Wimpern«, sagte sie schließlich.
    »Danke.«
    »Ich bin Julie«, sagte sie. Sie erhob sich und stand über mir. Sie hob die Hand. Ich schloss die Augen. Dann spürte ich ihre Finger auf der Stirn.
    »Dein Vater liebt dich, weißt du das?«, sagte sie. »Du weißt, wie sehr er dich liebt, nicht wahr, Hayat?«
    Ich schlug die Augen auf und schüttelte den Kopf.
    »Er liebt dich mehr als alles andere auf der Welt«, sagte sie leise. Sie beugte sich zu mir herab und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
    »Sag deinem Dad nicht, dass wir uns gesehen haben. Okay?«
    »Warum nicht?«, fragte ich.
    Sie sah weg und dachte nach. »Ich bin nicht die diensthabende Schwester. Ich will keine Schwierigkeiten bekommen.«
    »Okay«, sagte ich.
    »Schau ihn dir an«, sagte Mutter, als wir in die Einfahrt einbogen. Imran hüpfte vor Freude auf dem Rasen vor dem Haus auf und ab. Mina stand hinter ihm auf dem Weg. »Er freut sich so, seinen Bhai-Jaan wiederzusehen.« Als der Wagen angehalten hatte, riss Imran die hintere Tür auf und versuchte mich zu umarmen. »Vorsichtig, Lieber«, sagte Mutter. »Sein Arm ist immer noch gebrochen.«
    »Gebrochen«, wiederholte er stirnrunzelnd. »Deswegen war er doch im Krankenhaus.« Imran nickte und lächelte zaghaft. Ich stieg aus und legte meinen freien Arm um ihn.
    »Ich hab dich lieb, Bhai-Jaan «, sagte er und umarmte mich fest.
    »Er hat dich vermisst, Behta «, sagte Mina. »So sehr. Ständig hat er nach dir gefragt.« Mina sah sonderbar aus. Ihr Gesicht war dick mit einer hautfarbenen Paste bedeckt. Es sah aus, als würde sie eine Maske tragen.
    »Wie geht es dir, Behta ?«, fragte sie.
    »Gut«, sagte ich.
    »Ich habe dir dein Lieblingsessen gemacht.«
    »Parathas?«
    Sie sah mich eindringlich an, und mit einem Mal begann sie zu weinen. Plötzlich war mir ebenfalls zum Weinen zumute. »Parathas waren das Mindeste, was ich für dich tun konnte«, sagte sie und nahm mich in den Arm. »Es tut mir leid, Behta . Ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Tante«, flüsterte ich ihr zu. »Ich habe vom Propheten geträumt, Friede sei mit ihm.«
    Überrascht ließ sie mich los. »Wirklich? Wann?«
    »Im Krankenhaus. Er hat genauso ausgesehen, wie du gesagt hast. Er hatte sogar die Zahnlücke …«
    »Mein Gott, Hayat, was für ein Segen …«, sagte sie und legte mir die Hand auf den Kopf.
    »Okay, okay … das ist genug«, kam es von Vater hinter dem Kofferraum. »Wir haben alle Hunger. Auf zum Essen.«
    Ich lächelte ihr zu. Sie lächelte zurück.
    »Los, los«, trieb Vater uns zur Haustür. »Worauf warten wir noch? Nun macht schon.«
    »Du erzählst es mir später«, sagte Mina leise zu mir, als wir im Haus waren. »Dein Vater hört es nicht gern, wenn wir uns darüber unterhalten … Also erzähl es mir einfach später, okay?«
    Beim Essen kam es zum Streit. Das Telefon klingelte. Mina, die dem Apparat am nächsten saß, wollte nicht rangehen. Schließlich hob Vater ab. Es war Nathan.
    »Nein, nein, Nate … du störst nicht. Wir sind gerade beim Mittagessen. Ja, sie ist da. Ich gebe sie dir.«
    Vater hielt Mina den Hörer hin.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Vater lief rot an und legte die Hand über die Sprechmuschel. »Was soll das, Mina?«, fragte er aufgebracht, aber kein bisschen überrascht.
    »Naveed«, flehte Mina. »Bitte!«
    »Bitte? Was … Du willst nicht mit ihm reden?«
    »Naveed, bitte!«, beharrte Mina. Sie sah weg.
    »Unglaublich, einfach unglaublich«, murmelte Vater, als er sich den Hörer wieder ans Ohr hielt. »Sie isst gerade, Nate, aber ich sorge dafür, dass sie zurückruft. Okay? … Werde ich tun, keine Sorge … bis dann.«
    Vater knallte den Hörer in die Halterung an der Wand.
    »Er versteht es nicht«, sagte Vater nach einer langen Pause.
    »Nicht jetzt, Naveed«, sagte Mutter im Befehlston.
    Abrupt drehte sich Vater zu ihr hin, er kochte vor Wut: »Ich sage es jetzt, und ich sage es nur einmal. Schreibe mir nie, nie vor, was ich zu tun habe und wann ich es zu tun habe. Hast du mich verstanden?«
    Mutter fuhr merklich zusammen.
    » Bhaj «, warf Mina ein. »Schon gut … lass mich das

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