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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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machen.« Mina wandte sich an Vater. »Nathan versteht es. Er will es nur nicht akzeptieren.«
    »Gut, dann tu was, damit er es akzeptiert.«
    »Und wie soll ich das deiner Meinung nach anstellen?«
    »Indem du mit ihm redest.«
    »Das halte ich für zwecklos. Wir haben genug geredet.« Ihr Ton war kalt, abweisend.
    »Zwecklos? Vor zwei Tagen wolltest du ihn noch heiraten. Und jetzt hältst du es für zwecklos, überhaupt mit ihm zu reden? Womit hat er das verdient? Was hat er getan?«
    »Nichts.«
    »Dann sag ihm das.«
    »Das habe ich. Ich habe ihm gesagt, dass es nichts mit ihm zu tun hat. Sondern mit mir. Aber das will er nicht akzeptieren.«
    »Wer würde es schon akzeptieren?«, rief Vater aus und warf frustriert die Hände in die Höhe. »Ergibt ja alles keinen Sinn.«
    Sie würde ihn nicht heiraten? Es war das erste Mal, dass ich davon hörte. Ich spürte ein freudiges Prickeln.
    »Es würde nicht gut gehen«, sagte Mina. »Es kann nicht gut gehen.«
    Vater biss sich auf die Lippen und nickte bedächtig. »Weil er Jude ist?«
    »Nicht nur.«
    »Nicht nur?«
    »Ich sagte, nicht nur.«
    »Was noch?«, fragte Vater und zerknüllte wütend seine Serviette. »Was noch?« An seiner Unterlippe glänzte Speichel.
    Mina sah ihm in die Augen, bevor sie den Blick ganz ruhig auf ihren Teller richtete, sich ein Stück Brot abbrach und sich damit einen Fleischhappen in den Mund schob.
    »Was noch, frage ich!«, schrie Vater. Er starrte mich finster an. Mit meiner Freude war es vorbei.
    »Warum brüllst du so?«, platzte Mutter heraus. »Alle machen sich Sorgen! Du bist nicht der Einzige. Man könnte glatt glauben, du wärst derjenige, der die Hochzeit abgesagt hat!«
    Vater wandte sich Mutter zu, und eine Sekunde lang glaubte ich, er würde auf sie losgehen. »Das wäre eine Möglichkeit, die ich vielleicht ernsthafter hätte in Betracht ziehen sollen.« Abrupt stand er auf und sagte zu Mina: »Um meinetwillen und der Gastfreundschaft willen, die ich dir habe zuteil werden lassen … könntest du wenigstens so viel Anstand haben und dem Mann sagen, dass du mit ihm nicht reden willst, weil er Jude ist. Sag ihm bitte, dass du ihn lieber vom Angesicht der Erde tilgen würdest, wie es jeder andere hirnlose Muslim will, als mit ihm auch nur ein Wort zu reden!«
    Vater sah ihr fest in die Augen. Und seine Beharrlichkeit forderte Mina zu einer widerwilligen Reaktion heraus. »Er wird nie einer von uns sein«, sagte sie leise. »Und ich bin die Einzige, der das egal ist. Aber das spielt keine Rolle mehr. Es spielt keine Rolle mehr, dass es mir egal ist. Ich spiele keine Rolle mehr.«
    »Wer spielt dann überhaupt noch eine Rolle?«, fragte Vater und sah erneut zu mir.
    »Alle anderen«, erwiderte Mina. Vater sah weg. Nach langem Schweigen fuhr Mina fort: »Das Beste ist wohl, wenn ich gehe.«
    Vater explodierte. »Habe ich das verlangt? Habe ich das je verlangt? Du bist seit mehr als einem Jahr hier! Ich habe dich willkommen geheißen. Du gehörst zu meiner Familie! Muneer war nie so glücklich wie in dieser Zeit. Ich war nie so glücklich. Und der Junge auch nicht. Dieses Haus ist auch dein Haus. Ich habe dir meinen Bruder gegeben …«
    Es folgte eine Pause.
    »Wenn er nur dein Bruder wäre«, murmelte Mina vor sich hin, aber so laut, dass es alle hören konnten.
    Vater erstarrte, plötzlich wirkte er traurig und verletzlich.
    Mina sah ihn an. »Es tut mir leid, Naveed«, sagte sie schließlich.
    Den ganzen Nachmittag und Abend klingelte das Telefon. Keiner ging ran. Schließlich hängte Mutter es aus.
    Vater war zum Abendessen nicht zu Hause. Mutter stellte für mich und Imran zwei Teller mit Resten vom Mittag zusammen und setzte uns vor den Fernseher, bevor sie im Esszimmer verschwand, um weiter mit Mina zu reden, was sie fast den gesamten Tag getan hatte. Ich sah Mina erst wieder am Abend, als sie in mein Zimmer kam, um mich zuzudecken. Sie sah erschöpft aus. »Erzähl mir von deinem Traum, Behta «, sagte sie mit einem müden Lächeln, während sie sich auf die Bettkante setzte.
    Ich erzählte ihr von der Frau mit dem Schleier, die mir nachjagte, und vom Propheten, der mich rettete, indem er mich in eine Moschee in den Bergen brachte, wo er mir sagte, ich solle das Gebet anführen. Dann wusste ich nicht mehr, was ich sagen sollte. Ich wollte ihr nicht von den Gestalten erzählen, die zum Leben erwachten, oder davon, dass ich mich langweilte und schließlich ging.
    »Was ist noch passiert?«, fragte sie.
    »Nichts,

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