Himmlische Leidenschaft
Zwischen rosig erglühenden Wolken war der Himmel von einem so blassen Blau, daß er wie klares Glas in der Morgenröte schimmerte.
Wie kann ich dieses Land nur jemals verlassen? fragte sie sich verzweifelt.
Es war eine Frage, die sie sich häufig gestellt hatte in den Tagen, seit sie ihren Handel mit Case abgeschlossen hatte. Sie hatte nur eine einzige Antwort darauf, und es war die gleiche, die ihr damals über die Monate nach dem Tod ihrer Eltern hinweggeholfen hatte.
Ich werde tun, was ich tun muß. Für Conner, der weiß Gott etwas Besseres verdient hat als das Leben, das er jetzt führt.
Sie hatte die Entscheidungen, die ihr durch die Umstände aufgezwungen worden waren, niemals bereut. Sie war ganz einfach dankbar, daß sie und Conner überlebt hatten, als so viele andere hatten sterben müssen.
Nachdem die Sonne über den Rand des Canyons gestiegen war, glitt die Landschaft in unzähligen Schattierungen von Ocker und Rostbraun, Rot und Gold vorbei. Sarah zügelte ihre Stute immer nur dann, wenn sich einer der vielen Nebenarme des Lost River Canyon zum Ufer des Flusses hin öffnete. Dann ließ sie den Mustang im Schritt gehen, während er sich vorsichtig einen Weg über das glatte Grundgestein, die Geröllfelder und ausgetrockneten Bachbetten bahnte, die die Öffnung jedes schmaleren Canyons markierten.
Cases Blick schweifte unablässig über die Landschaft. Er achtete nicht nur auf mögliche Gefahren, sondern prägte sich landschaftliche Merkmale von allen Winkeln aus ein, um sich später daran zu orientieren, damit er ohne einen Führer in der Lage wäre, seinen Weg zurück über den Pfad zu finden.
Während er das Land kennenlernte, beobachtete er Adler und Habicht bei ihrem eleganten Flug, sah Kaninchen, die hakenschlagend davonsausten, um dann plötzlich zu erstarren, und bemerkte eine Fülle von Wildspuren. Einmal war er sich sicher, die Pfotenabdrücke eines Pumas zu sehen, die in einem Flecken getrockneten Schlamms am Eingang eines Seitencanyons erstarrt waren.
Die Hälfte von all dem hier gehört mir.
Bei jedem neuen Anzeichen von Leben, jeder neuen, atemberaubenden Aussicht wurde er sich wieder dieser Tatsache bewußt. Und jedesmal, wenn die Erkenntnis kam, fühlte er, wie ein gewisses Maß an Ruhe Teile seiner Seele erfüllte, die seit dem Krieg nichts als Aufruhr und Schmerz gekannt hatten.
Die Gewißheit, daß er zu diesem Land gehörte, wurde mit jedem Moment, jedem Atemzug größer.
Er würde eines Tages sterben, aber das Land würde weiterleben.
Das Land würde die Ewigkeit überdauern, unberührt von der Grausamkeit und Schlechtigkeit, die manchen Menschen innewohnte.
Für Case bot die unveränderliche Realität des Landes die Möglichkeit, eine Ruhe zu finden, die nicht nur oberflächlich war. Durch die unsichtbaren Bande, die ihn mit diesem Land verbanden, war er Teil von etwas Größerem als der Summe allen Übels, verursacht von Menschen.
Der Gedanke war Balsam für eine Qual, von der er nun schon so lange keine Erlösung gefunden hatte, daß er sie kaum noch wahrnahm; er akzeptierte diese Qual ganz einfach, so wie Menschen, die Glieder verloren hatten, lernten, ohne sie zu leben.
Als Sarah ihren Mustang schließlich zügelte und im Schritt gehen ließ, trieb er Cricket neben Shaker.
»Es geht doch nichts über einen kleinen Galopp, um seine schlechte Laune abzureagieren«, sagte Case beiläufig.
Sie warf ihm einen Blick aus schmalen Augen zu und erwiderte nichts.
»Brauchst du noch ein paar Meilen?« fragte er. »Diesmal trägst du aber den Sattel.«
Wie immer gewann ihr Sinn für Humor am Ende die Oberhand über ihre Gereiztheit, und sie lachte und schüttelte den Kopf.
»Du und Conner«, sagte sie amüsiert.
»Was ist mit uns?«
»Ihr schafft es doch jedesmal, mich ganz fix herumzukriegen.«
»Das liegt daran, weil du für diese Welt einfach nicht hart genug bist«, sagte Case.
Sie stöhnte. »Du nicht auch noch!«
»Was meinst du?«
»Ute glaubt, ich wäre ein Engel.«
Case wirkte nicht im geringsten überrascht.
»Das ist mein Ernst«, sagte sie. »Er glaubt es wirklich.«
»Ein Mann wacht auf, krank und von Schmerzen gepeinigt, und sieht Lampenlicht, das wie ein Heiligenschein um deinen Kopf schimmert, und fühlt deine Hände, so wundervoll kühl und sanft auf seiner Haut...»
Seine Stimme erstarb. Dann zuckte er die Achseln.
»Man kann Ute wohl kaum einen Vorwurf daraus machen, daß er in dir einen süßen Engel der Barmherzigkeit sieht, der sich
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