Hinter blinden Fenstern
damals auch schon für sie gearbeitet.«
»Ist lang her. Sie hat mir einen Job gegeben, ich war in Schwierigkeiten, sie hat mich praktisch von der Straße geholt. Dafür bin ich dankbar.«
»Was hatten Sie für Schwierigkeiten?«
»Kleinkram. Schlägereien mit Landsleuten, Jugoslawen. Ich bin in München geboren, mein Vater war Serbe, deswegen kannte ich von Kindheit an viele Leute aus der Heimat meines Vaters. Er hatte ein Gasthaus in Sendling, und bestimmte Leute waren neidisch, weil er Erfolg hatte. Er ist leider gestorben, meine Mutter hat das Geschäft aufgegeben, sie bekommt wenig Rente, ich unterstütze sie.«
»Hätten Sie das Gasthaus nicht übernehmen können?«
»Wollte ich. Aber ich hab kein Talent, zuviel Bürokratie. Dauernd Ärger mit der Brauerei oder mit der Stadt. Entweder es geht um Parkplätze oder um Lärm oder um Hygienevorschriften. Zuviel Papier. Ich bin besser mit handfesten Sachen. Und außerdem: Jugoslawische Küche ist nicht mehr so beliebt wie früher, die Konkurrenz ist noch größer geworden. Clarissa hat mich gerettet. Tolle Frau, große Frau, starke Frau.«
»Kannten Sie Dinah Lustiger?«
»Nein, sie war krank. Clarissa hat von ihr erzählt, sie hat sich um sie gekümmert, jeden Tag, nachts, bis zu Dinahs Tod.«
»Und Bertold Gregorian hat sich um Clarissa Weberknecht gekümmert«, sagte Fischer.
»Möglich.« Petrov zuckte mit der Schulter. »Ist er tot oder wozu der Aufwand?«
»Er ist verschwunden. Er hat Ihrer Chefin nachgestellt, Sie haben ihn ja selber auf dem Parkplatz gesehen. Hat er in jüngster Zeit Kontakt zu Clarissa aufgenommen? Hat sie seinen Namen erwähnt? Wirkte sie beunruhigt?«
Zum erstenmal sah es aus, als würde Petrov lächeln. Aber Fischer war sich nicht sicher. Die Zuckungen im Gesicht des Zeugen konnten auch von Müdigkeit herrühren. »Clarissa war nie ruhiger. Sie ist sehr entspannt, sie arbeitet sechzehn Stunden durch und ist immer bester Laune. Und das merken natürlich die Mädchen, und die Gäste auch. Beunruhigt ist die Chefin bestimmt nicht.«
»Obwohl ihr Mann ermordet wurde und wir den Täter noch nicht kennen?«
Petrov holte mehrmals angestrengt Luft. »Klar. Hab ich vergessen. Wann ist eigentlich die Beerdigung? Wissen Sie das?«
»Vermutlich nächste Woche«, sagte Fischer. »Seit wann ist Ihre Chefin in einer so ausgelassenen Stimmung?«
»Seit wann? Seit … keine Ahnung. Seit einer Woche …«
Jetzt durfte Fischer keine Zeit mehr verlieren. »Seit einer Woche. Hatte sie Geburtstag?« Eine absurde Frage, da er wußte, an welchem Tag sie geboren war.
»Geburtstag? Nein. Glaub nicht. An ihrem Geburtstag feiern wir immer, der ist im Fasching. Im Februar.«
»Es würde uns sehr helfen«, sagte Fischer ohne Betonung, ohne Hast, »und das ist auch der Hauptgrund, weshalb ich Sie gebeten habe, so früh hierher zu kommen, wenn Sie sich erinnern könnten, wann genau Ihre Chefin Ihnen aufgetragen hat, sich um den alten Mann, um Bertold Gregorian, zu kümmern. Ihm ins Gewissen zu reden. Ihn zu bitten, mit den albernen Verfolgungen aufzuhören und Clarissa in Ruhe zu lassen. Wann war das?«
»Ich weiß gar nicht …« Petrov fuhr sich übers Gesicht. Er bemühte sich, nicht wegzusehen. »Sie hat mir … Sie hat nie so was von mir gewollt. Dafür bin ich nicht zuständig.«
»Sind Sie nicht für alles zuständig?«
»Schon. Ja. Aber für so was … Auf unseren Parkplatz fahren dauernd irgendwelche Spanner, manchmal verscheuche ich sie. Höflich mach ich das, da gab’s noch nie Beschwerden. Oder haben Sie eine Anzeige gegen mich vorliegen? Bestimmt nicht. Die Chefin würde nie verlangen, daß ich außerhalb des Clubs was für sie erledige. Sie ist da absolut korrekt. Mit dem alten Mann hab ich nichts zu tun, ich kenn den nur vom Sehen. Und wenn Clarissa Probleme mit dem hat, dann erledigt sie das selber. Ihre Männersachen erledigt sie immer selber.«
»So schätze ich sie ein«, sagte Fischer. »Sie hat sich also selbst um den alten Mann gekümmert.«
»Davon geh ich aus. Ich jedenfalls nicht.«
»Wissen Sie noch, wann Sie Ihrer Chefin von dem alten Mann erzählt haben?«
»Vor Monaten. Ich glaub, kurz nach ihrem Geburtstag. Aber das hat sie nicht besonders interessiert.«
»Wieso nicht?«
»Sie hat gesagt, der Alte verschwindet schon wieder.«
»Sie wußte, daß er hinter ihr her ist.«
»Denk schon. Aber das war ihr egal.«
»Der alte Mann ist aber nicht verschwunden.«
»Was weiß ich. Ich hab erst gar nicht gecheckt, daß
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