Hinter verschlossenen Türen
abgeschlossen, als sie zur Trauung hinabging. Ich stand hier im Vorsaal und habe es gesehen; vielleicht erinnern sich der Herr Doktor auch noch daran.
Kameron hatte es nicht vergessen, obgleich ihm der Umstand im Augenblick keinen besonderen Eindruck gemacht hatte. Um seine Betroffenheit vor dem Diener zu verbergen, entließ er ihn und wollte eben sein Zimmer betreten, als er hinter sich die Stimme seiner Frau vernahm. Schnell wandte er sich und sah sie auf sich zukommen; sie hatte Schleier und Handschuhe abgelegt.
Ich habe meinen Entschluß geändert, sagte sie, und berührte seinen Arm einen Augenblick mit der Hand, zog sie aber sofort zurück, bitte laß uns nicht wieder zu den Gästen hinuntergehen. Wir haben das gewiß nicht nötig – höre nur, wie gut sie sich ohne uns unterhalten. Wenn dir's recht ist, reisen wir sofort ab, ich sehne mich so von hier weg. Nicht wahr, du sagst ja und gewährst mir die Bitte.
Ihre Blicke flehten noch dringender, als ihre Worte um Erfüllung des Wunsches. Er wußte sich dies plötzliche Verlangen nicht zu deuten und zögerte mit der Antwort.
Wir gehen nach Washington, nicht wahr? fuhr sie fort, da haben wir noch die lange Fahrt nach Jersey City und müssen so wie so früh aufbrechen.
Er sah ein, daß dies unter allen Umständen am besten sei. Wenn du meinst, erwiderte er, laß uns gehen, sobald du willst.
Sie atmete erleichtert auf: Wie gut du bist! rief sie in herzlichem Ton. Ich ziehe nur schnell mein Reisekleid an und bin gleich wieder bei dir. Warte auf mich in deinem Zimmer; wenn wir beide fertig sind, lassen wir die Mutter rufen. Sie winkte ihm freundlich zu und eilte, ohne Rücksicht auf ihre prachtvolle Schleppe, hastig davon.
Er blickte ihr nach, zwar mit umdüsterter Stirn aber doch voll inniger Gefühle. Was lag denn im Grunde daran, wenn ihr Wesen ihm für jetzt noch unerklärlich blieb? Es bezauberte ihn ja so sehr, daß er den Reiz ihrer Blicke und Worte nicht hätte missen mögen. So schmerzlich es ihm war, sie leiden zu sehen, hatte denn nicht vielleicht gerade ihre Krankheit sie weniger stolz und unnahbar gemacht?
Nachdem sie in ihrem Zimmer verschwunden war, sah er sie bald darauf wieder verstohlen herausschleichen, sich sorgfältig nach allen Seiten umschauen und dann mit Hut, Reisekleid und Tasche in der Hand schnell in ein daneben gelegenes Zimmer schlüpfen. Jetzt fiel ihm ein, daß er sich reisefertig machen müsse, aber ein Umstand setzte ihn in Verlegenheit. Er hatte weder Geld noch Reisekoffer mitgebracht, auch stand ihm kein Wagen zur Verfügung, da er ja auf der Eisenbahn hergekommen war. So blieb ihm nichts übrig als Frau Gretorex zu bitten, für ihn anspannen zu lassen.
Dies war nicht angenehm, aber immerhin nur eine Kleinigkeit im Vergleich zu der Angst und Not, die hinter ihm lag. Er beschloß, die Sache leicht zu nehmen und schritt sofort zur Ausführung. Auf die Meldung hin, daß er genötigt sei, früher als beabsichtigt mit seiner Gattin abzureisen und um einen Wagen zu bitten, erschien Frau Gretorex in eigener Person. Nach mancherlei Einwendungen willfahrte sie schließlich seinem Wunsche, obgleich sie mit denveränderten Plänen keineswegs einverstanden war. Es wäre gewiß noch zu vielen Erörterungen gekommen, hätte nicht das Erscheinen Genofevas im Reiseanzug dem Zwiegespräch ein Ende gemacht. Sie stutzte, als sie die beiden beisammen sah, und setzte betroffen ihre Handtasche nieder. Bald aber gewann sie die Fassung wieder und näherte sich mit sorgloser Miene.
Es ist schade, daß wir so bald fort müssen, Mama, sagte sie, natürlich wären wir gern geblieben. Aber jener Schrei hat mich entsetzlich erschreckt, ich kann mich noch nicht davon erholen; wir möchten lieber abreisen, solange ich mich noch stark genug dazu fühle. Entschuldige uns bitte, wir sehen uns ja sehr bald wieder.
Frau Gretorex antwortete nicht; sie war mit dem Kleid ihrer Tochter beschäftigt.
Noch nie hat dir ein olivenfarbenes Kleid so gut gestanden, sagte sie, während Genofeva sich ungeduldig abwandte. Die neue Schneiderin ist wirklich sehr geschickt; alles, was sie gemacht hat, sitzt ganz vortrefflich. Selbst Madame Dubois versteht es nicht besser. Du hast eine viel schönere Figur, siehst weit stattlicher und voller aus als sonst. Kurz, das Kleid hat meinen ganzen Beifall.
Die junge Frau errötete, als sei solche weibliche Eitelkeit besonders im Augenblick des Abschieds durchaus nicht nach ihrem Sinn. Doch erwiderte sie kein Wort, sondern reichte
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